Nachbarschaft

Veröffentlicht am 27.11.2017 von Judith Langowski

Wir bleiben noch an der Potsdamer Straße, diesmal etwas weiter hinten, an der Ecke Pallasstraße. Hier steht das Pallasseum, dieses Ungetüm mit Denkmalstatus. Hier sind 2000 Bewohner in über 500 Wohnungen zu Hause. Bis zu den Siebzigern stand an diesem Platz noch der Berliner Sportpalast, in dem sich die Nazis selbst inszenierten. 1977 wurde das Pallasseum fertiggestellt und gab dem Ort eine neue Bedeutung. Ständig halten Passanten davor und machen Fotos, ob von den bunt behangenen Satellitenschüsseln oder der imposanten Überführung über der Pallasstraße.

Felix Zohlen (l.) hat gemeinsam mit Helena Rafalsky (2. v. l.) der Projektleiterin Karin Rieckmann (r.) sowie Leo Schulz und Timotheus Theisen, die Linse umgedreht. Im letzten Jahr hat das Team um das Projekt „Pallasseum Plus“, organisiert vom Netzwerk Stadtraumkultur den Bewohnern Fotoapparate in die Hand gedrückt. Jeder, der wollte, durfte seinen Alltag im Gebäude festhalten. Außerdem organisierten die Studierenden eine Theatergruppe und eine Druckwerkstatt. Am 18. und 19. November wurden die Fotografien in einem Treppenhaus des Wohnblocks ausgestellt und zwei Kurzfilme über das Projekt und Leben im Pallasseum gezeigt (in Zusammenarbeit mit Magda Jarosczewic).

Was bedeutet das Pallasseum für dich? Ich bin in Schöneberg aufgewachsen. Als Kind durfte ich da nicht hin. Jetzt ist der Ort sicherer als in den Neunzigern. Dafür gab es damals eine sehr lebendige Subkultur hier, Fler und viele andere Rapper und Sprayer haben hier angefangen. Als Architekturstudent hat es mich natürlich immer fasziniert. Das ist so ein tolles Gebäude. Ursprünglich wurde viel gemeinschaftlicher Raum eingeplant, der jetzt aber leersteht. Es gibt eine riesige Freifläche von 4000 Quadratmetern, daraus könnte man so viel machen. Diese Umgestaltung wollten wir mit unserem Projekt, gemeinsam mit den Bewohnern anstoßen.

Wie waren die Reaktionen auf das Projekt? Die Leute aus dem Haus waren begeistert. Natürlich gibt es auch Menschen, die ihre Ruhe haben wollen, genug eigene Probleme haben oder einfach kein Interesse. Es haben Kinder und Jugendliche aus allen Altersklassen mitgemacht. Viele Mütter waren auch dabei, und Großväter, aber wenig Väter. Das waren starke Mütter – die Frauen wuppen alles! Die Vernissage war erstaunlich gut besucht. Es kamen viele Leute aus dem Haus und dem ganzen Kiez. Einer kam auf mich zu, ein sehr hart aussehender junger Mann, der mir offenbarte, er sei die Zukunft des neuen deutschen Raps. Dann wollte er einen Abzug von einem Foto.

Wie geht es weiter? Die geringen Fördermittel für das Projekt liefen nach drei Jahren aus, aber wir arbeiten ehrenamtlich weiter. Wir wollen die Bilder sehr gerne noch einmal zeigen. Außerdem entsteht gemeinsam mit den Anwohner*innen gerade das Modelabel „PALLAS!“. Die Jugendlichen entwickeln gerne eigene Geschäftsideen. Wir haben unsere Ideen für die Umgestaltung der öffentlichen Freiflächen auch dem Eigentümer vorgestellt. Das Pallasseum ist seit Kurzem denkmalgeschützt und daher ist die Umsetzung sehr unwahrscheinlich, aber die Idee bleibt. Dieses Haus wird so viel genutzt, gefilmt, fotografiert.

Das Pallasseum spielt im Film „Manifesto“, der gerade in den Kinos läuft, eine kleine Nebenrolle. Mehr zu „Pallasseum Plus“ finden Sie hier.

Interview: Judith Langowski, Foto: Timotheus Theisen

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-s.kneist@tagesspiegel.de.