Nachbarschaft

Veröffentlicht am 25.09.2018 von Judith Langowski

Michael Ojake, Autor und Regisseur von „Ein Spiel namens Mut“, Premiere am 28. September in der ufaFabrik.

In einem kleinen Ort nahe der nigerianischen Stadt Lagos spielen vier Kinder „Mut“: Sie agieren wachsam und geschickt, damit ein vermeintlich Flüchtender letztlich das Tor, das die Kinder darstellen, nicht passieren kann. Es gibt nur selten einen Sieger. Durch dieses Spiel und die Gemeinschaft der Kleinstadt bringt uns Ojake in seinem Autoren- und Regiedebüt den Geschichten hinter den Flüchtenden aus Westafrika näher. Sein Stück „Ein Spiel namens Mut“ debütierte bei den diesjährigen Ruhrfestspielen und feiert am Freitag in der ufaFabrik Premiere. Wir verlosen 2×2 Karten, mehr dazu weiter unten bei „Kultur“.

Herr Ojake, wie ist ihr Drehbuch zu „Ein Spiel namens Mut“ entstanden? Fälle, bei denen Flüchtende in Europa Gewalt erfahren, wie der Fall Oury Jalloh, beschäftigen mich schon lange. Mit dem Stück möchte ich die Geschichte dieser Menschen näherbringen, die wir oft nicht erfahren, oder nur, wenn die Person gestorben ist. Ich habe mit dem Ort angefangen, der mir vertraut ist. Die Gemeinschaft des kleinen Ortes erinnert mich an die nigerianische Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin. Es ist ein ideales Setting, um die Geschichte eines Mannes zu erzählen, der nichts hat und sich auf die große Reise nach Europa aufmacht.

Sie sind mit 21 Jahren nach Europa emigriert: Damals haben Sie in Bulgarien Schauspiel und Puppenspiel studiert. Was haben Sie sich gedacht, als Sie angekommen sind? Die Kälte war schrecklich! Ich hatte vom Winter gehört – aber man muss ihn erleben, um zu wissen was das ist. Wir können uns vieles nicht vorstellen, was in Europa passiert und umgekehrt ist es genauso. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich das verstanden habe. Zum Beispiel sind die zwischenmenschlichen Beziehungen in Europa und Afrika sehr unterschiedlich: Familie ist bei uns viel enger, der Respekt stärker.

Wie reagiert die Familie, wenn sie erfährt, dass der Sohn oder Neffe die Flucht nicht geschafft hat? Da kommen verschiedene Faktoren zusammen. Vor allem fühlen die Eltern eine unbeschreibliche Traurigkeit und fragen sich: Warum haben wir nicht mehr gegen den Wunsch des Kindes gesteuert, weg zu gehen?

Möchten Sie das Stück auch in Nigeria zeigen? Ich würde es gerne in vielen afrikanischen Ländern zeigen. Das Stück habe ich ursprünglich auf Englisch geschrieben und ins Deutsche übersetzt. Also könnten wir einfach die englische Version spielen. Und es ist dort genauso relevant wie hier. Ich habe den Zielort in Europa bewusst offen gelassen. Wir wissen, dass die jungen Menschen unbedingt nach Übersee wollen.

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-s.kneist@tagesspiegel.de