Nachbarschaft
Veröffentlicht am 15.10.2019 von Sigrid Kneist

Bernd Erhard Fischer, Lichtenrade, Verleger, Autor des Buches „Hermione – Die Flucht ins Leben. Eine poetische Biografie“ (ISBN 978-3-948114-00-8, Edition, A. B. Fischer, 24 Euro)
Das inspirierte mich: Ein altes Lichtenrader Haus faszinierte mich schon seit etwa 1992. Es handelte sich um einen kastenartigen Bau an der Ecke Prinzessinen-/Cecilienstraße, der durch drei etwas deplatziert wirkende Säulen auffiel. Dort habe, las ich bei dem Heimatforscher Kurt Pomplun, einmal Hermione von Preuschen gewohnt, die Künstlerin und Weltreisende. Damals antikisierend ausgeschmückt und durch eine eigene Kunsthalle ergänzt, hatte sich der „Tempio Hermione“ um 1911 zu einem echten Musenhof entwickelt. Im Juni 1996, fiel mir dann auf einem Trödelmarkt in Mecklenburg ein abgegriffenes Buch in die Hände: „Hermione von Preuschen – Der Roman meines Lebens.“ Eine Autobiografie? Es war nur ein atemlos zusammengeschriebenes Konvolut voller Namen und Ereignisse, Skandale und geschei-terter Liebschaften, vor allem aber Reisen. Mindestens fünf große Weltreisen konnte ich ausmachen, undatiert und oft nur an einer endlosen Aufzählung von Reisezielen erkennbar, an teils wirren Anekdoten und verstörenden Seelenergüssen.
Die Verwirrung wuchs. Es war die literarische Gestalt, die mich reizte. Ich beschloss, einen Roman zu schreiben und begann, intensiv nachzuforschen. Doch während des Forschens steigerte sich die Verwirrung noch. Zwar hatte mir das Heimatmuseum Tempelhof etliche Unterlagen zum Kopieren überlassen, Pressekritiken von Hermiones Ausstellungen und Büchern, ihr Gästebuch und vieles mehr. Vom Verein Berliner Künstlerinnen erhielt ich eine Vielzahl Briefkopien, die aber, in einer wilden deutschen Handschrift verfasst, für mich unlesbar waren. Ein Bibliothekar transkribierte alle Briefe für mich in Klarschrift. Doch auch die Inhalte waren oft unverständlich. Vieles in ihrem Buch war nicht mehr zu datieren, die erwähnten Personen rätselhaft, zumal Hermione alle prominenten Namen durch Abkürzungen maskierte. Ich gab also das Vorhaben entmutigt auf.
Ein erneuter Anlauf. Erst im Jahr 2015, als ich wieder einmal in den Kisten und Mappen zu dem Thema blätterte, entschloss ich mich zu einem neuen Versuch. Diesmal wollte ich eine Art „poetische Biografie“ schreiben, ein Buch, das es mir erlaubte, das fragwürdige Faktengerüst durch eigene Überlegungen, durch Phantasie und persönliche Eindrücke zu ergänzen. Und plötzlich fanden sich an vielen Stellen neue Dokumente, Originaltexte und Bilder, von deren Existenz ich bisher keine Ahnung hatte. Das Bild begann sich zu runden. Es zeigte eine manchmal hypersensible Frau, deren Exaltiertheit ganz offensichtlich das einzige Mittel war, um sich als Malerin und Schriftstellerin in der von Männern dominierten Kunstwelt der Kaiserzeit durchzusetzen. Die Vehemenz, mit der sie dabei für ihre Freiheit focht, der oft penetrante Geniekult, den sie um sich verbreitete, waren ihre Waffe, die ihr auch tatsächlich nach und nach eine gewisse Anerkennung – und zugleich den Spott und die Ablehnung der offiziellen Gesellschaft einbrachte.
Ein bitterer Preis. Den Preis der Einsamkeit zahlte Hermione von Preuschen für die erstrittene Berühmtheit. Nach dem Tod ihres zweiten Mannes gelang ihr keine tragfähige Beziehung mehr, viele Freunde wandten sich ab. Überdies hatte sie zweimal ihre Kinder in fremde Hände geben müssen. Auch ging die Entwicklung der Künste schnell über sie hinweg, und sie geriet in Vergessenheit. Nach ihrem Tod 1918 wechselte das Anwesen mit den beiden „Tempios“ – dem Wohnhaus und der Kunsthalle – mehrmals den Besitzer. Die Ausstellungshalle wurde offenbar schon kurz nach 1918 abgerissen. Das Wohnhaus stand noch – stark verändert – bis 1997. Hermione von Preuschens Spur verlor sich im Dunklen.
Erinnerung. Mein Buch zeigt ein Schicksal, das für eine ganze Generation von Künstlerinnen exemplarisch gewesen sein dürfte. Es erinnert an eine Persönlichkeit, die dem ländlich-nüchternen Lichtenrade einmal einen gewissen Glanz verlieh. Sie hätte dort eine „Berliner Gedenktafel“ verdient, ebenso wie eine würdigere Platzgestaltung, als es der abgelegene, unscheinbare „Preuschenplatz“ am Ortsrand heute ist. edition-abfischer.de
Buchvorstellung. Am Sonntag, 20. Oktober, 15 Uhr, im „Salon Hermione“ von Gerhard Moses Heß, Lortzingclub, Lortzingstr. 16. Anmeldung: Telefon 0163 / 3417053 oder per Mail: Gerhard-Moses-Hess@web.de.
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-s.kneist@tagesspiegel.de