Nachbarschaft

Veröffentlicht am 10.03.2020 von Sigrid Kneist

Merve Aydin, Lehrerin für Biologie und Chemie, Fachverantwortliche für diese Fächer an der Johanna-Eck-Schule in Tempelhof.

Am Donnerstag, 12 März, besucht Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) die Johanna-Eck-Schule. Im Mittelpunkt des Besuchs steht dabei das Thema, welche Chancen sich Mädchen in naturwissenschaftlichen Berufen bieten. Ich habe Merve Aydin dazu interviewt:

Warum sind Sie Lehrerin geworden? Es war seit Beginn meiner Schulzeit mein Wunschberuf. Ich könnte so viele Gründe aufzählen. Kurzum: Zu lehren und selbst von den Schüler*innen zu lernen, gehört für mich zu den schönsten Arten des Gebens und Nehmens. Mir ist besonders wichtig, zusätzlich zum Unterricht auch eine positive menschliche Beziehung zu den Schüler*innen zu pflegen. Das erleichtert mir, einerseits Bewährtes zu optimieren und andererseits Neues zu wagen in meiner professionellen Aufgabe, die Mädchen und Jungs für diese tollen Fächer zu begeistern – oder mindestens zu interessieren.

Was werden Sie Angelika Schöttler zeigen? Der Bezirksbürgermeisterin möchte ich mit einer Schülerinnengruppe einen Einblick in den modernen Chemieunterricht ermöglichen. Die Mädchen freuen sich bereits, ihre experimentellen Fähigkeiten vorzuführen. Diese Freude und Aufregung teile ich mit ihnen. Ich bin aber auch gespannt auf das anschließende Gespräch der Schülerinnen mit der Bezirksbürgermeisterin über Mädchen und Frauen in vermeintlichen „Männerdomänen“.

Viele Schülerinnen interessieren sich nach der Schule nicht für naturwissenschaftlich geprägte Berufe. Wie versuchen Sie, ihr Interesse zu wecken? Das Wunderbare an naturwissenschaftlichen Fächern ist der starke lebensweltliche Bezug. Daher wähle ich bevorzugt alltagsnahe Einstiege in die Themenfelder. Die Schüler*innen verlieren so die Schwellenangst vor vermeintlich abstrakten Inhalten und sehen konkreten Nutzen im naturwissenschaftlichen Denken und Wissen. Jugendliche lassen sich nach meiner Erfahrung mit den richtigen Instrumenten sehr gut auch für scheinbar schwierige Unterrichtsinhalte begeistern. Und die Jugendlichen mögen übrigens auch das Drumherum um Experimente. Sobald sie den Fachraum betreten, heißt es erst einmal: Schutzkittel anziehen und gespannt sein! Da fühlt man sich gleich ein bisschen als Expert*in. Anwendungsbeispiele machen die erworbenen Kenntnisse ebenso interessant wie die naturwissenschaftlich geprägten Berufe, die manche Jugendliche vorher gar nicht so „auf dem Radar“ haben.

Was muss sich in dieser Hinsicht an den Schulen ändern, um Mädchen und junge Frauen zu ermutigen? Im Rahmen des Unterrichts motiviert es sehr, die Rollen und Aufgaben innerhalb eines Experiments zu wechseln. Das macht es selbstverständlicher auch für manchmal zurückhaltende Mädchen, Erfolgserlebnisse beim Experimentieren zu sammeln. Die Jungen, die beim „Machen“ gerne dabei sind, lernen durch den Wechsel, dass auch gutes Protokollieren bei Experimenten wichtig ist und geübt sein will. Wir sollten den Jugendlichen auch viel mehr Wissenschaftlerinnen aus der Geschichte vorstellen und als ermutigende Vorbilder präsentieren. Der Girls-Day, aber auch fächerübergreifende Unterrichtsthemen bieten im Schulalltag eine ideale Grundlage zu ersten Begegnungen mit solchen Berufsbildern. Den Schulen sollten auch Besuche außerschulischer Lernorte und die Repräsentation vor Ort durch weibliche Vorbilder ein selbstverständliches Anliegen sein.

Das Foto sieht spektakulär aus. Erklären Sie mir doch, was da gerade passiert! Das Foto wurde beim letzten Tag der offenen Tür der Schule im Januar aufgenommen. Es handelt sich um eine Demonstration der Dichte und Verbrennung von Methan, die sich hervorragend für ein Showexperiment eignet. Vorbereitend wird Erdgas, das hauptsächlich aus Methan besteht, aus der Gasflasche in eine Seifenlösung eingeleitet. Der sich bildende Schaum wird auf die angefeuchtete Handinnenfläche genommen und entzündet. Es entsteht eine effektvolle Flamme, die deutlich zeigt, dass dieser flüssige Schaum brennbar ist.

Zum Schluss eine Frage zur Situation der Johanna-Eck-Schule: Wie empfinden Sie jetzt die Stimmung an der Schule nach all den Turbulenzen des vergangenen Jahres? Wir haben ein junges, dynamisches und sehr motiviertes Kollegium an der Johanna-Eck-Schule und eine Schulleitung, die zum Gestalten einlädt. Neben hoher Fachkompetenz und pädagogischem wie didaktischem Know-How meiner Kolleg*innen schätze ich insbesondere deren Teamfähigkeit und permanente gegenseitige Unterstützung. Wir engagieren uns alle gemeinsam für die Vision, die „neue“ Johanna-Eck-Schule zu einer zukunftsorientierten Gemeinschaftsschule als Ort zum „Leben und Lernen“ weiterzuentwickeln. Am Tag der offen Tür und bei den Anmeldungen für den neuen siebten Jahrgang haben wir gemerkt, dass sich das allmählich herumspricht. Unsere Schüler*innen bestärken uns mit ihrer enormen Lebensfreude und manchmal berührenden Herzlichkeit in unserem Willen, unseren engagierten Beitrag für ihre individuelle Zukunft zu leisten.

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-s.kneist@tagesspiegel.de