Nachbarschaft
Veröffentlicht am 24.03.2020 von Sigrid Kneist

Theresa Brückner, evangelische Pfarrerin für Kirche im Digitalen Raum, im Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg. Seit elf Tagen ist sie auf Bitten der Evangelischen Kirche in Deutschland in freiwilliger Quarantäre. Sie war Referentin bei einer Tagung, bei der auch ein Teilnehmer war, der aus einem Risikogebiet gekommen war.
Wie geht es Ihnen nach elf Tagen Quarantäne? Es geht mir den Umständen entsprechend gut. Die ersten zwei Tage musste ich das erstmal etwas verdauen und alles für mich im Kopf und Kalender umplanen. Aber mittlerweile haben wir uns gut arrangiert.
Zu wie vielt sind Sie in Ihrem Haushalt in Quarantäne? Wir sind zu dritt in Quarantäne: mein Mann, mein dreijähriger Sohn und ich.
Wie verteilen Sie Arbeit und Kinderbetreuung? Wir haben flexible Pläne und versuchen uns abzusprechen. Auch wenn das aktuell nicht so einfach ist, weil mein Handy kaum noch still steht und mein Mann sich als angehender Pfarrer auf seine Prüfungen vorbereitet. Aber mein Mann entlastet mich aktuell sehr.
Wie empfindet es Ihr Sohn, dass er nicht raus darf? Die ersten zwei Tage war er verunsichert und hat auch geweint. Er hat sich einerseits gefreut, dass wir jetzt so viel Zeit miteinander haben, konnte aber nicht verstehen, warum wir dann nicht wie üblich etwas draußen unternehmen können. Mittlerweile hat er verstanden, dass das gerade eine Ausnahmesituation ist und wir in diesen Tagen nur in unserer Wohnung bleiben können. Seitdem erklärt er uns jetzt immer, dass seine Wünsche nach mehr Süßigkeiten oder Fernsehen doch schon durchgehen müssten „als Quarantäne-Ausnahme“.
Was machen Sie gegen einen etwaigen Lagerkoller? Wir haben versucht, unserem Tag Struktur zu geben. Wir frühstücken, ich mache mich für den Tag fertig, so als würde ich ins Büro gehen. Und wir halten uns etwa an die Essenszeiten und halbwegs die vorherigen Familienabläufe. Das hilft, um ein bisschen Normalität zu haben. Zum Glück haben wir einen Balkon, auf dem wir zwischendurch mal an die frische Luft können.
Haben Sie einen guten Tipp für andere Eltern? Jedes Kind ist anders, deshalb weiß ich nicht, ob meine Tipps jedem helfen können. Für mich selbst war es hilfreich, vieles aktuell nicht zu streng zu sehen und die ganzen Ausnahmen eben auch mit der Ausnahmesituation für mich zu erklären. Es wird nicht immer so bleiben, das hat mich ruhiger gemacht und das hat sich auch auf unser Kind übertragen. Unser Sohn möchte viel mit uns kuscheln – er merkt natürlich, dass wir aufgrund der jetzigen Situation angespannt sind oder uns Sorgen um unsere Familie machen. Um so intensiver nutzen wir die Zeit, die wir zu dritt haben.
Erhalten Sie in diesen Tagen mehr Resonanz in den sozialen Medien? Was bewegt die Menschen? Dadurch, dass ich als Pfarrerin im digitalen Raum im Kirchenkreis Temeplhof-Schöneberg unter „theresaliebt“ in den sozialen Medien (Instagram, Twitter, Facebook) schon vorher präsent war, melden sich jetzt um so mehr Menschen. Der Redebedarf ist groß, viele Menschen machen sich Sorgen wie es weitergeht oder wie sie finanziell jetzt klar kommen sollen. Die meisten fühlen sich alleine, und das kann ich gut verstehen. Deshalb habe ich mein Angebot gerade auf Instagram intensiviert und starte dort regelmäßig Live-Videos. So sind wir zwar räumlich getrennt und doch fühlt man sich nicht so alleine.
Foto: Eike Thies
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-s.kneist@tagesspiegel.de