Nachbarschaft

Veröffentlicht am 12.04.2022 von Sigrid Kneist

Rahel Mann, Holocaust-Überlebende, Zeitzeugin, 1937-2022

Jahrelang war der erste Montag im Monat ein fester Termin im Rathaus Schöneberg. Dann gab’s eine Lesung in der dortigen Ausstellungshalle der Schau „Wir waren Nachbarn“. Die Holocaust-Überlebende Rahel Mann las aus dem Buch von Tina Hüttl „Uns kriegt ihr nicht. Als Kinder versteckt – Jüdische Überlebende erzählen“. In diesem Buch handelt ein Kapitel auch von ihrer eigenen Geschichte. Denn Rahel Mann – Mädchenname Wolf – hat als Kind die Nazizeit in Berlin überlebt. Sie gehörte lange Jahre wie die vor Kurzem verstorbene Inge Deutschkron oder wie Margot Friedländer zu den wichtigen Berliner Zeitzeuginnen, die als Jüdinnen die Barbarei und den Massenmord der Nazis überlebt hatten und ihre Aufgabe darin sahen, den nachkommenden Generationen zu berichten und die Geschichte somit viel begreifbarer zu machen. Am 31. März ist Rahel Mann im Alter von 84 Jahren gestorben, wie die Ausstellung „Wir waren Nachbarn“ mitteilte.

Rahel Mann wurde 1937 als nicht-eheliches Kind einer Mutter geboren, die nach den nationalsozialistischen Kriterien als Halbjüdin galt. Der Vater war Jude. Das Kind wuchs in seinen ersten drei Lebensjahren bei einer Pflegefamilie auf, danach lebte es bei seiner Mutter. Auch bei ihren Lesungen hat Mann später immer gesagt, dass sie von ihrer Mutter keine Liebe und Zuwendung erfahren habe. Schutz und Fürsorge erhielt sie von anderen Menschen. Zum Ende des Kriegs hin wurde die damals Siebenjährige in der Starnberger Straße im Bayerischen Viertel von der Hauswartsfrau Frieda Anna Vater versteckt. Im Mai 1945 entdeckten Soldaten der Roten Armee das Kind.

Lesung und Diskussion. In gut sechs Jahren hat Rahel Mann, die zunächst Lehrerin wurde, und später als Heilpraktikerin arbeitete und in den siebziger Jahren mit der Zeitzeugenarbeit begann, 70 Lesungen absolviert. Sie beantwortete Fragen, sprach mit den Besucherinnen und Besuchern, es sollten keine reine Lesungen sein. Ihr war der Austausch mit den Menschen wichtig. Die letzte Lesung lief im Februar 2020 – wenige Tage nach dem 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Auch danach wollte sie weiter als Zeitzeugin tätig sein. Nur wenige Wochen später begann die Pandemie.

Zur Erinnerung. In der Ausstellungshalle soll es am 6. Mai um 13 Uhr eine Gedenkveranstaltung für Rahel Mann geben. Infos zur Anmeldung sind telefonisch unter 030/902774527 oder im Internet auf wirwarennachbarn.de zu erhalten.