Nachbarschaft

Veröffentlicht am 12.07.2022 von Sigrid Kneist

Gerhard Hoffmann, Mitbegründer des Lesbisch-Schwulen Stadtfests und Moderator des „Wilden Sofas“

Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause wird an diesem Wochenende in Schöneberg wieder heftig gefeiert. Im Regenbogenkiez, rund um den Nollendorfplatz, die Motz- und die Fuggerstraße, steht alles im Zeichen des Lesbisch-Schwulen Stadtfests mit einigen Bühnen und vielen Infoständen. In vergangenen Jahren kamen bis zu 350.000 Menschen, um queeres Selbstbewusstsein zu zeigen. Zum Auftakt des Wochenendes wird am Donnerstag um 13 Uhr die Regenbogenfahne vor dem Rathaus Schöneberg gehisst. An diesem 14. Juli werden Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann (Grüne) und Gerhard Hoffmann für den Regenbogenfonds der schwulen Wirte, den Veranstalter des Stadtfests, die Fahne aufziehen. Anders als Oltmann, der erst seit vergangenem November im Amt ist und diese zeremonielle Aufgabe zum ersten Mal übernimmt, ist Hoffmann beim Lesbisch-Schwulen Stadtfest seit den Anfangsjahren mit dabei. Er gehörte im Jahr 1993 zu den Mitbegründern des Fests.

Immer auch politisch. Das Stadtfest ist nicht nur eine große Party, sondern steht stets unter einem politischen Motto. „Gleiche Rechte für Ungleiche – weltweit!“ lautet es in diesem Jahr. Denn an vielen Orten dieser Welt sind Lesben, Schwule, trans Menschen und Intersexuelle Verfolgungen und Angriffen ausgesetzt, müssen um ihre Rechte, um die Gleichberechtigung kämpfen. Davon ist auch das Schöneberger Regenbogenkiez, in dem die queere Szene schon seit gut 100 Jahren zu Hause ist, nicht ausgenommen: Immer wieder kommt es dort zu homo- oder transphoben Attacken. „Das hängt auch mit der Sichtbarkeit zusammen“, sagt Hoffmann. Je sichtbarer man sei, desto mehr Angriffsfläche biete man leider.

Nicht nur für Lesben und Schwule. Seit beinahe 30 Jahren trägt das Fest den Namen „Lesbisch-Schwules Stadtfest“, dabei begreift sich die Szene inzwischen viel umfassender. „Den Namen haben wir trotzdem beibehalten, er ist eine Marke“, sagt Hoffman. Das Fest bezeichnet sich deshalb zudem als das LGBTTIQ-Event (Lesbisch, Schwul (Gay), Bisexuell, Transsexuell, Transgender, Intersexuell und Queer).

Nicht ohne das Wilde Sofa. So heißt Hoffmanns politische Talkshow, die seit dem Jahr 2000 einen festen Bestandteil und Programmhöhepunkt des Fests bildet. Sie findet am Samstagnachmittag auf der Bühne Eisenacher Straße/Fuggerstraße statt. In diesem Jahr ist „Gemeinsam gegen Gewalt und für Geschlechtergerechtigkeit“ das Thema bei Hoffmann. Mit dabei sind Anastasia Biefang, die als erste trans Frau Bataillonskommandeurin wurde, und Sebastian Stipp, der einige Jahre lang Ansprechpartner bei der Polizei für queerfeindliche Straftaten war.

Bekannt wurde er einem großen Publikum als Teilnehmer bei Voice of Germany. Deswegen muss er natürlich eine Kostprobe des Talents auf die Bühne bringen. Als Talkgäste geladen sind die Rechtsanwältin und Imanin Seyran Ates und Lala Süsskind, die geschäftsführende Gesellschafterin des Jüdischen Bildungswerks.

Der Kampf gegen Antisemitismus wird ebenfalls Thema sein. Hier ist die Bühne genau am richtigen Ort: Erst vergangenenWoche wurde ein erneuter antisemitischer Vorfall gegen das nur wenige Meter entfernt gelegene israelische Restaurant Feinberg’s in der Fuggerstraße (siehe oben) bekannt. Ein weiteres Thema auf dem „Wilden Sofa“ – die LGBTTIQ-Communities in der Ukraine und Russland.

Der Rainbow-Award wird in diesem Jahr dem Berliner Antigewaltprojekt für lesbische, bisexuelle und queere Frauen L-Support verliehen. Mit bei der Preisverleihung dabei ist die ehemalige Bezirksbürgermeisterin und jetzige Stadtentwicklungsstadträtin Angelika Schöttler. Die Sozialdemokratin ist die Preisträgerin des Jahres 2020. Anschließend werden Klaus Wowereit, ehemaliger Regierender Bürgermeister (SPD), und Elisabeth Ziemer, ehemalige Schöneberger Bezirksbürgermeisterin (Grüne), als Schirmherr und -herrin das Fest offiziell eröffnen. Ziemer setzte sich übrigens 1996 über eine Anweisung des damaligen Innensenators und CDU-Politikers Jörg Schönbohm hinweg und hisste als erste Amtschefin die Regenbogenfahne an einem Rathaus. Die Zeiten haben sich geändert: Heute gehört es zum Standard, dass die Fahne während der Pride-Wochen hängt. – Foto: Promo