Nachbarschaft

Veröffentlicht am 20.02.2024 von Corinna von Bodisco

Besuch bei „Sommerkeramik“ in Mariendorf. Die aufeinander treffenden, frischen und bunten Farbtöne sind geplant, aber auch Zufall. „Colormatch“ ist das Markenzeichen der Keramik von Michael Sommer. Das Farbspiel findet sich in seiner Werkstatt in Mariendorf auf Tassen, Tellern, Schalen oder Vasen wieder. Bis zum fertig getöpferten Stück dauert es eine Woche: Nach dem Drehen auf der Scheibe muss der Ton trocknen und zweimal gebrannt werden – einmal mit, einmal ohne Glasur.

Bis zu 40 Tassen dreht Michael Sommer nacheinander. Zuerst formt er die Grundkörper und lässt sie über Nacht auf dem Kopf stehend antrocknen. Dann ist der Ton lederhart und wird im nächsten Arbeitsschritt – dem „Abdrehen“ – geglättet. Das Gefäß bekommt auch noch einen Fuß und einen Henkel. Nach drei bis vier Tagen trocknen geht es in den Brennofen. „Dann mache ich den ersten Brand bei 980 Grad“, erklärt der 47-Jährige.

Michael Sommer, der Keramiker, und Michael Mickeleit, der Verkäufer, sind ein Duo. Sie sind nicht nur verpartnert, sondern betreiben die Galerie „Sommerkeramik“ am Birnhornweg 43, nicht weit von der Adlermühle, gemeinsam. Nach einer Töpferlehre hat sich Michael Sommer 2007 mit dem Handwerk selbstständig gemacht – „am Anfang mit Nebenjobs und leerem Kühlschrank“, sagt er. Jetzt sei das anders.

Das liege auch am Glück, im Eigentum wohnen zu können, „mit dem besten Verkäufer“ an seiner Seite. 2019 verließ Michael Sommer seine Werkstatt in Neukölln und zog nach Mariendorf. Es gibt dort viel Platz – zum Arbeiten und kreativ sein.

Das grün angestrichene Haus ist umgeben von einem etwa 750 Quadratmeter großen Garten mit Obstbäumen, Rasen, Sitzgelegenheiten und Hochbeeten. Michael Mickeleit war lange Gärtner, hatte eine Firma mit drei Mitarbeitern. Jetzt unterstützt er seinen Partner: setzt die Glasuren an und verkauft die Keramik auf dem Zehlendorfer Frische Markt, dem Weddingmarkt am Leopoldplatz und dem Wochenmarkt am Nauener Tor direkt gegenüber dem Holländischen Viertel in Potsdam.

Ab März wird die Keramik auch im Kreativkaufhaus „Vielfach“ unweit vom Checkpoint Charlie verkauft. Das Sortiment ist vielfältig: Es gibt Berlin-Tassen mit dem Brandenburger Tor, der „Goldelse“ oder dem Fernsehturm, mikrowellengeeignete „Cups to go“ oder Tassen mit QR-Code, die zum Blog der Sommerkeramik „Täglich Brot“ führen.

Es gibt auch Kunst aus „Abdrehspähnen“, langen Tonnudeln, die beim Abdrehen entstehen. Handwerk, Kunst – der Übergang ist fließend. Die künstlerischen Objekte nennt Michael Sommer „Mirabilia“, was „Wunderdinge“ bedeute.

Und wie wird die Keramik bunt? Die Glasuren setzt Mickeleit in Zehn-Liter-Eimern an, damit es ein paar Wochen reicht. Eineinhalb Stunden ist er für einen Farbton beschäftigt, mischt das Silikatpulver mit Wasser. Die Glasuren bestehen aus dem Silikat Feldspat, Quarz und Farbkörpern, die als färbende Bestandteile zum Beispiel Kobaltkarbonat, Kupfer- und Eisenoxid enthalten. Er streicht die Mischung mehrmals durch ein Sieb. Dabei trägt er eine Staubmaske, das Pulver soll nicht eingeatmet werden.

Die Stücke werden damit glasiert. „Dann kommt der nächste Brand, der Glatt- oder Glasurbrand bei 1.220 Grad“, sagt Sommer. Die Glasur ist ein glasartiger Überzug, der im Ofen „aufgeschmolzen“ wird. Sie werde dadurch komplett versiegelt, säurebeständig und lebensmitteltauglich.

Bei einem Besuch in der Sommerwerkstatt gibt es eine Menge über Keramik zu lernen. Etwa, dass die Stücke im Dreh-, Trocken- und Brennprozess um etwa 10 Prozent schrumpfen. Das Wasser entweicht. Außerdem ist Töpfern nachhaltig: Übrige Abdrehspähne werden mit viel Wasser wieder „eingesumpft“, zum Antrocknen auf Gipsplatten ausgelegt und weiterverarbeitet.

Wer mal vorbeischauen will, kann sich schon mal den Tag der offenen Tür merken, der ein ganzes Wochenende dauert: vom 5. bis 7. April, jeweils von 12 bis 18 Uhr. Jede:r kann zusehen und im Gespräch erfragen, wie aus einem Klumpen Ton etwa eine Tasse entsteht.