Nachbarschaft
Veröffentlicht am 18.06.2024 von Sigrid Kneist
Die Orchesterschule der Leo-Kestenberg-Musikschule mit allen Mitgliedern ihrer verschiedenen Formationen.
Durch das Haus in Schöneberg ziehen an diesem Vormittag Klaviertöne, aus einem Raum im Obergeschoss hört man eine weibliche Stimme beim Proben. Keine Frage, die Musik gehört neben der Kunst im Haus am Kleistpark dazu. In dem Gebäude ist der Hauptsitz der Musikschule von Tempelhof-Schöneberg, die nach dem Pianisten und Musikpädagogen Leo Kestenberg benannt ist. Kestenberg emigrierte in der Nazizeit bereits 1933 nach Prag, später nach Paris und 1938 nach Tel Aviv.
Flugblätter im Eingang zeigen aber, dass derzeit an der Musikschule nicht alles nur seinen gewohnten Gang geht, dass Unruhe herrscht. Ursache dafür ist ein Urteil des Bundessozialgerichts zur Beschäftigung der Honorarlehrkräfte, die als Scheinselbständigkeit gewertet werden könnte. Dadurch drohen Nachzahlungen von Sozialbeiträgen in hohen Größenordnungen. Betroffen davon sind Musikschulen und Volkshochschulen nicht nur in Berlin, sondern auch bundesweit.
Aber in der Hauptstadt werden 75 Prozent des Unterrichts von nicht festangestellten Lehrkräften erteilt, dieser Anteil ist wesentlich größer als anderswo. Der Senat will ein Moratorium mit der Rentenversicherung erzielen, um eine Lösung zu finden, entsprechende Gespräche sind geplant. „Wir arbeiten an einer großen Lösung mit der Rentenversicherung und sind sehr optimistisch, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen werden“, sagte Kultursenator Joe Chialo (CDU) vor knapp zwei Wochen zuversichtlich.
Ulrike Philippi erwartet die Ergebnisse dieser Gespräche gespannt. Sie ist seit Ende 2018 Leiterin der Leo-Kestenberg-Musikschule. „Es muss schnell etwas passieren“, sagt Philippi, die selber Querflötenlehrerin ist und neben ihrer Leitungstätigkeit auch noch wenige Stunden Unterricht erteilt. An der Tempelhof-Schöneberger Musikschule, die an mehr als 40 Standorten im gesamten Bezirk Unterricht anbietet, arbeiten rund 200 nicht-angestellte Lehrkräfte; davon gut die Hälfte in einem sogenannten arbeitnehmerähnlichen Verhältnis. Das bedeutet, dass der überwiegende Teil des Einkommens durch diese Tätigkeit bezogen wird.
Rund 5000 Jungen, Mädchen und Erwachsene lernen an der bezirklichen Einrichtung eines der 64 angebotenen Instrument. Darunter sind auch so ausgefallene wie die Koto, eine japanische Zither, oder die Shakuhachi, eine ebenfalls aus Japan stammende Flöte. Die Warteliste ist lang, sie verzeichnet 400 Namen. Am begehrtesten ist zurzeit der Unterricht für Klavier, Cello, Geige, Trompete und Schlagzeug. Die Instrumentvorlieben wechselten aber über die Jahre, sagt Philippi.
Die Arbeit an der Musikschule beruht auch darauf, dass die Freiberufler eng eingebunden sind, was aber aus Sicht der Sozialversicherung ihrem Status als Nicht-Angestellte widerspricht. Sie leiten Ensembles, von denen die Schule insgesamt 115 anbietet, wie Philippi sagt. Sie engagieren sich bei Schulkooperationen oder bei besonders begabten Schülerinnen und Schülern bei der Studienvorbereitung. Vieles könnte wegbrechen, wenn keine Einigung erzielt wird.
Was die Musikschule alles leistet und welche Qualität sie bietet, kann man auch an den Ergebnissen bei den bundesweiten Wettbewerben „Jugend musiziert“ erkennen. In diesem Jahr stellte die Leo-Kestenberg-Musikschule auf Bundesebene fünf Preisträger in unterschiedlichen Sparten.
In dieser Woche sind die jungen und erwachsenen Musikschülerinnen und -schüler besonders gefragt. Bei der Fête de la Musique am Freitag ist die Musikschule mit vielen Ensembles vertreten – auf Bühnen überall im Bezirk unter anderem mit Bratschen, Blockflöten, Trommelgruppen, Alphörnern, Rock-, Pop- oder Salsa-Bands. Am Samstag präsentiert sich die Orchesterschule in der Philharmonie in einem Festkonzert unter der Schirmherrschaft von Sir Simon Rattle zu ihrem zehnjährigen Bestehen. Das sinfonische Kinderorchester, das Jugendsinfonieorchester, das Leo-Kestenberg-Bläserquintett, das Leo-Kestenberg-Kammerorchester sowie die Rockband „Beckside of Richness“ sind dabei zu hören und zu sehen. – Foto: Leo-Kestenberg-Musikschule
- Die Fête de la Musique bietet allein in unserem Bezirk 107 Veranstaltungen. Die Vielzahl und die Vielfalt der Konzerte und Darbietungen sind darauf zurückzuführen, dass Tempelhof-Schöneberg in diesem Jahr Partnerbezirk der Fête ist. Die Kestenberg-Musikschule ist mit vielen Ensembles auf etlichen Bühnen vertreten. Schulen präsentieren sich mit ihren Musikensembles, Chöre, Solomusiker und auch DJs sind ebenfalls dabei. Gespielt wird an so unterschiedlichen Orten wie dem Rathaus Schöneberg, dem Haus am Kleistpark, den Atelier Gardens in Tempelhof, dem Tempelhofer Hafen, dem Tempelhofer Feld, dem Stadtteilladen „Halk Kösesi“, Zwölf-Apostel-Kirchhof, dem Gemeinschaftshaus Lichtenrade und vielen Standorten mehr. Das ganze Programm für den Bezirk finden Sie hier. fetedelamusique.de
- Am Samstag, 22. Juni, 19 Uhr, findet in der Philharmonie das große Festkonzert der Orchesterschule statt. Karten gibt es hier im Vorverkauf: eventim.de