Nachbarschaft

Veröffentlicht am 16.07.2024 von Nora Tschepe-Wiesinger

„Streckt euch einmal so lang, als würdet ihr den Himmel berühren“, fordert Nathanael die neun Personen auf, die im Kreis um ihn stehen, auf. 18 Arme greifen in die Höhe. „Und jetzt bewegt ihr eure Arme, als wärt ihr ein Kolibri, ganz kleine Flügelschläge“, sagt Nathanael und bewegt seine Arme in kurzen rhythmischen Bewegungen. „Und jetzt große Flügelschläge wie ein Adler.“ Nathanael breitet seine Arme aus, schwingt sie, als würde er gleich abheben wollen. Die Personen um ihn machen ihm nach, hinter ihnen erstreckt sich die Weite des Tempelhofer Feldes mit Flughafen-Tower und Fernsehturm am Horizont, über ihnen der blaue Himmel.

Auf der Südseite des Tempelhofer Feldes direkt neben der Skater Halfpipe hat die neue Hochseilarena des Vereins „Coraggio“ eröffnet. Letztes Jahr war die Hochseilarena noch auf der anderen Seite des Feldes am Columbiadamm aufgebaut. Zwei Mal in der Woche finden hier Workshops statt, bei denen die Teilnehmer:innen das Hochseillaufen lernen können. Die Vogelflug-Übungen sind Aufwärm-Übungen, bevor es aufs Seil geht. Sechs Seile sind zwischen sieben Betonklötzen gespannt, die meisten davon auf recht niedriger Höhe von 50 bis 85 Zentimetern. Aber es gibt auch ein hohes Seil auf zwei Metern Höhe. Das richtig hohe Seil, das sechs Meter über der Erde gespannt ist, muss noch aufgebaut werden. Der Aufbau ist für Anfang August geplant.

Fürs Balancieren auf dem Seil erhalten die Teilnehmer:innen eine Balancierstange, die zwischen 5 und 6 Kilogramm wiegt und zwischen 4 und 7 Meter lang ist. Dadurch sei es viel leichter, die Balance zu halten, erklärt Nathanael und ermahnt die Teilnehmer:innen: „Ihr müsst lernen zu hören, was die Stange euch sagt.“ Nach den Aufwärmübungen am Boden geht es für die Teilnehmer:innen endlich auf die Seile. Die meisten fangen auf den niedrigen 50 bis 85-Zentimeter-Seilen an. Einige wenige, die bereits mehr Erfahrung haben, gehen gleich auf das Zwei-Meter-Seil. „Die 6 Meter sind mein Ziel“, sagt Teilnehmerin Sarah. Sie hat vor einem Jahr mit dem Hochseillaufen angefangen. Das Gefühl, auf dem Seil zu laufen, sei aufregend, man sei total im Moment und es mache süchtig, erzählt sie.

„Jede und jeder kann das lernen“, sagt Corragio-Mitarbeiterin und Projektkoordinatorin Elena Zimmer-Bashir. Mit dem Balancieren sei es wie mit dem Fahrradfahren: Hat man es einmal raus, verlernt man es nicht mehr. Nur eine Einschränkung gebe es: „Leute, die zu gestresst sind, kriegen es eher nicht hin“, sagt Zimmer-Bashir.

Vor zwei Jahren hat der Verein, der mit seinen zirkus-, theater- und tanzpädagogischen Angeboten Menschen zusammenbringen will, ein Seil in sechs Meter Höhe über den Neuköllner Schiffahrtskanal am Maybachufer gespannt. Auf sechs Meter Höhe wird man zusätzlich mit einem Klettergurt gesichert. Einige der Workshop-Teilnehmer:innen haben damals vom Ufer aus zugesehen, jetzt stehen sie selbst auf dem Seil.

Die Hochseilarena soll für die nächsten drei Jahre am Standort auf dem Tempelhofer Feld bleiben und von April bis Oktober geöffnet haben. Workshops finden im Juli jeden Donnerstag und Sonntag statt, auch bei regnerischem Wetter. Zimmer-Bashir freut sich auf Teilnehmer:innen aller Altersstufen. „Das Alter ist nach oben hin nicht beschränkt“, erklärt sie. Mindestens 13 Jahre alt müsse man jedoch sein, da die Stangen für Jüngere sonst zu schwer sind.

  • Der nächste Workshop findet am Donnerstag, den 18. Juli, von 18 bis 20 Uhr statt.  Interessierte melden sich hier an. Tickets kosten je nach Einkommensstärke 10, 12 oder 15 Euro. Zum Balancieren müssen Turnschuhe mit flacher Sohle getragen werden oder Schläppchen.