Namen & Neues
Entwicklungszentrum Industrie 4.0 verheddert sich im Kompetenzgestrüpp
Veröffentlicht am 28.10.2019 von Thomas Loy
Entwicklungszentrum Industrie 4.0 verheddert sich im Berliner Kompetenzgestrüpp. Industrie 4.0 ist das Zauberwort für die Digitalisierung der Industrieproduktion. Schon seit vielen Jahren ist eine „Fabrik der Zukunft“ als Schaufenster für vernetzte digitale Produktion in Schöneweide geplant, ein Prestigeprojekt für den Hightech-Standort Berlin. Die Wista Adlershof sollte die Fabrik bauen, peilte das Jahr 2020 für die feierliche Inbetriebnahme an. Doch bislang gibt es nichts als ein paar Studien, Planungen und eine geschätzte Investsumme von 35 Mio. Euro. Das Projekt verheddert sich zusehends im Kompetenzgeflecht der beteiligten Verwaltungen. Und es mehren sich die Stimmen, die sagen: Wenn es jetzt nicht gebaut wird, können wir es auch gleich ganz lassen. In der Wista ist der zuständige Mitarbeiter bereits mit anderen Projekten betraut worden.
Bezirk rückt sein Grundstück nicht heraus. Seit 2015 befassen sich die Wista, das Regionalmanagement Südost und die Technologiestiftung Berlin mit der Planung eines „Innovations- und Technologiezentrums Industrie 4.0“ (ITZ) in Schöneweide, so der offizielle Name der Zukunftsfabrik. Weil das Zentrum an neue Studiengänge der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) gekoppelt werden soll, ist der Standort Oberschöneweide zwingend, dort gibt es auch noch bezirkseigene Grundstücke, die allerdings für die Campus-Erweiterung der HTW reserviert sind, solange die Hochschule keine ausreichenden Flächen im Peter-Behrens-Bau des ehemaligen Werks für Fernsehelektronik beziehen kann. Dort gibt es einen neuen Eigentümer, die DIE (Deutsche Immobilien Entwicklungs AG), die lieber heute als morgen die HTW als Ankermieter an sich binden möchte. Doch der Senat hält sich bedeckt, belässt es bei vagen Absichtserklärungen. Und der Bezirk pocht auf den Campus-Umzug. „Die HTW ist unsere Priorität“ sagt Bzbm Oliver Igel. Ist die Entwicklung der HTW nicht geklärt, rückt TreKö sein Grundstück nicht heraus.
Frist zur Entscheidung bis Jahresende. Federführend für die HTW-Erweiterung sei die Senatsverwaltung für Finanzen, erklärt die Wissenschaftsverwaltung. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft hält unterdessen weiter an dem ITZ-Projekt fest. „Der Bau des ITZ 4.0 würde durch die enge Verknüpfung von Wirtschaft und Wissenschaft zur Stärkung des Zukunftsortes beitragen und hat daher für die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe hohe Priorität.“ Die Fördermittel aus dem Programm für regionale Wirtschaft (GRW-Mittel) könnten noch bis 2022 abgerufen werden, teilte SenWirtschaft auf Anfrage mit. Also keine Eile? Das sieht die Wista anders. „Wenn wir bis Jahresende die Entscheidung nicht bekommen, müssen wir uns überlegen, ob wir das Projekt einstellen“, sagt Peter Strunk, Sprecher der Wista Adlershof, auf Anfrage.
Keine Finanzmittel für die HTW-Erweiterung. Ende Juli tagte der „Lenkungskreis Standortentwicklung der HTW in Schöneweide“ mit verschiedenen Senatsverwaltungen und dem Bezirk, allerdings ohne konkretes Ergebnis. Die Senatskanzlei drängt auf eine weitere Sitzung des Lenkungskreises, da es sich um eine Maßnahme handele, „die eine größere stadtentwicklungspolitische Dimension hat“, teilte die Pressereferentin Wissenschaft und Forschung, Jessica Schulz mit. Derweil erklärt die Senatsverwaltung für Finanzen, die angeblich die Federführung für das HTW-Projekt hat: „Eine Entscheidung über eine Ein-Campus-Strategie der HTW setzt zunächst voraus, dass das zuständige Fachressort SenWiss dieses Konzept, das die HTW als Hochschule verfolgt, unterstützt.“ Daran gibt es offenbar erhebliche Zweifel. Im Doppelhaushalt 2020/21 wurden von der Senatskanzlei keine Mittel für das Projekt angemeldet.
Wir fassen kurz zusammen: Der Senat will den HTW-Campus in Schöneweide konzentrieren, unternimmt aber nichts. Der Bezirk will sein Grundstück für die Zukunftsfabrik erst herausgeben, wenn der HTW-Umzug beschlossen ist. Das Ergebnis: Stillstand. – Text: Thomas Loy
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Zum Newsletter-Autor: Thomas Loy, aufgewachsen an der Küste (Nordsee), zog 1995 nach Berlin und wohnt mit seiner Familie seit zehn Jahren in Johannisthal. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an leute-t.loy@tagesspiegel.de