Namen & Neues
Späte Stasi-Enthüllung: Hauptmann-Darsteller bespitzelte Theater-Kollegen
Veröffentlicht am 06.07.2020 von Thomas Loy
Seit vielen Jahren ist Jürgen Hilbrecht, 77, das Aushängeschild des Bezirks, natürlich in der Uniform des Hauptmanns von Köpenick. Bei Festen und Jubiläen tritt er regelmäßig auf. Nun berichtet die B.Z., Hilbrecht habe für die Stasi gespitzelt. In seiner Zeit beim Theater in Brandenburg an der Havel soll er über eine „zehnköpfige Oppositionsgruppe mit sozialismusfeindlichen Ansichten am Theater der Stadt“ berichtet haben. Auch die Schauspielerin Renate Krößner („Solo Sunny“) habe er bespitzelt. Der Schauspieler Achim Wolff fand viele „böse Berichte“ von Hilbrecht (Deckname Jürgen Hoffmann) in seiner Stasi-Akte, ging aber damit nicht an die Öffentlichkeit. Hilbrecht bestätigte die Angaben gegenüber der Leute-Redaktion.
Die Berichte liegen lange zurück, teilweise aus den 1970er Jahren. „Ich wurde damals am Theater gemobbt“, erklärt Hilbrecht. Anschließend habe die Stasi ihn erpresst. Er werde die Tätigkeit als Stasi-Informant jetzt aufarbeiten und versuchen, mit den betroffenen Kollegen zu reden, sofern sie noch leben. Auf die Frage, warum er nicht früher von sich aus an die Öffentlichkeit gegangen ist, sagte er: „Das hat mich sehr belastet.“ Er habe diese Zeit verdrängt, nach der Wende seine Stasi-Akten nicht eingesehen. Er sei damals selber bespitzelt worden. Ob er nochmal als Hauptmann auftreten wird, wisse er nicht. „Ich wollte sowieso bald aufhören, bin ja schon alt genug.“
Elektriker und Schauspieler. Hilbrecht, der aus Johannisthal stammt, hatte zunächst Elektriker gelernt, sich aber nebenbei als Schauspieler versucht. Ab 1961 studierte er Schauspiel an der heutigen Hochschule Ernst Busch. Später bekam er Engagements an Theatern in Leipzig, Halle, Greifswald und Brandenburg an der Havel. Nach der Wende baute er das „Stadttheater Cöpenick“ mit auf und gestaltete Unterhaltungsprogramme mit Alt-Berliner Figuren.
Bürgermedaille verliehen. Bzbm Oliver Igel (SPD) erklärte, der Bezirk habe keinen Vertrag mit Hilbrecht. Er werde zu bestimmten Anlässen gebucht und erhalte ein Auftrittshonorar. Zu den Stasi-Vorwürfen sagte Igel, er werde nach seinem Sommerurlaub mit Hilbrecht sprechen, um herauszufinden, „was er in welchem Umfang getan hat“. Davon werde abhängen, wie der Bezirk weiter verfährt. „Jürgen Hilbrecht muss sich ausführlicher erklären.“ Das Bezirksamt hatte ihm 2016 die Bürgermedaille verliehen.
+++ Das ist ein Beitrag aus dem Leute-Newsletter für Treptow-Köpenick. Den gibt es in voller Länge und kostenlos hier: leute.tagesspiegel.de
+++ Die Themen der Woche:
- Müggelheimer protestieren gegen neue Gasdruckstation
- Hausarztmangel: Vier Praxen (und eine halbe) neu vergeben
- Zuständig für Immobilien und Katastrophen(schutz): Torsten Kurz im Portrait
- Bahn-Prognose für Köpenick: Mehr Güterzüge, mehr Regionalzüge, mehr Lärmschutz