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Krasser Fall von Schwarzbau: Teilabriss eines Wochenendhauses in Neu-Venedig ist rechtens

Veröffentlicht am 05.09.2022 von Simone Jacobius

Bereits im Jahr 2020 hatte das Oberverwaltungsgericht entschieden, nun soll der partielle Abriss eines Wochenendhauses auch umgesetzt werden. Vorausgegangen waren ein jahrelanger Rechtsstreit, viel Ignoranz bestehender Rechtsordnung und anscheinend auch nachbarschaftlicher Unfrieden.

Zur Geschichte des jahrzehntelangen Dramas: Eine Familie hatte im August 2010 einen Antrag für den Neubau eines Wochenendhauses in Neu-Venedig gestellt, Finkenweg 349. Das Grundstück liegt in einer Wochenend-Haussiedlung, das ist wichtig, und nicht in einer Wohn-Haussiedlung. Um diesen Charakter zu sichern, hat der Bezirk bereits 2003 einen Bebauungsplan aufgestellt und darin klar geregelt, dass Wochenendhäuser eine Größe von maximal 60 Quadratmetern haben dürfen. 

Die geplante Bebauung war mit dem Bebauungsplan konform, Mitte 2011 sollte es fertig sein. Doch bereits im April 2011 wandte sich der Nachbar an die Bauaufsicht mit dem Hinweis einer zu großen Bebauung. „Im Rahmen der bauaufsichtlichen Besichtigung im Mai 2011 wurde eine Überschreitung der Grundfläche festgestellt und die Aufnahme der Nutzung kurz darauf untersagt“, erläutert Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD). Denn das real entstandene Haus war mit 91,56 Quadratmetern deutlich größer als erlaubt. 

Das Drama nahm seinen Lauf. Die Besitzer gingen gegen das Verbot gerichtlich vor, zogen den Antrag aber nach Hinweis des Gerichts, dass es keine Erfolgsaussichten hätte, zurück. Stattdessen verpflichtete sich die Familie gegenüber dem Bezirksamt schriftlich bereits im Oktober 2011 zum Teilrückbau. 

Das große Aussitzen begann. Trotz Selbstverpflichtung und mehrmaliger Aufforderungen des Bezirksamtes passierte nichts. Die Verwaltung verfügte einen Teilabbruch, musste das aber über mehrere Instanzen erstreiten. Im Juni 2013 ist vom Oberverwaltungsgericht unmissverständlich entschieden worden, dass die Teilabbruchanordnung rechtmäßig ergangen war, so Igel.

Alle Aufforderungen ignoriert. In den Jahren danach ging das Bezirksamt die Vollstreckung der Abbruchverfügung an. Die Hauseigentümer kamen der Aufforderung der Rückbaumaßnahmen nicht nach. Daher ging das Bezirksamt den nächsten Schritt und erstritt sich das Recht auf Ersatzvornahme. Doch auch das dauerte bis August 2020.

In der Begründung des Oberverwaltungsgerichts heißt es unter anderem: „Das im Jahr 2011 errichtete Wochenendhaus der Antragsteller [zeichnet sich] durch seine die zulässigerweise überbaubare Grundfläche um mehr als das Anderthalbfache überschreitende Größe als besonders grober und offensichtlicher Verstoß gegen den geltenden und erst sieben Jahre zuvor, im Jahr 2004, in Kraft gesetzten Bebauungsplan aus und es kommt noch die illegale Errichtung des Bootsschuppens hinzu.“

Recht haben und Recht bekommen dauert. „Das Bezirksamt hat kontinuierlich an der Herstellung rechtmäßiger Zustände gearbeitet. Es ist jedoch jedem von einer Ordnungsmaßnahme betroffenen Grundstückseigentümer unbenommen, das Verwaltungshandeln gerichtlich überprüfen zu lassen. Wird der Rechtsweg – wie im vorliegenden Fall – voll ausgeschöpft, geht regelmäßig Zeit ins Land. Das ist das Wesen eines Rechtsstaates“, erläutert Oliver Igel die lange Zeit, die das Wochenendhaus illegal genutzt werden konnte.

Gleiches Recht für alle. Die Verfolgung weiterer Schwarzbauten in Neu-Venedig sei aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes erforderlich, schreibt das Gericht in seinem Urteil. Bisher wurden Ermittlungen bei 27 Grundstücken in Neu-Venedig wegen des Verdachts von Verstößen gegen den B-Plan aufgenommen. In zehn Fällen läuft bereits ein Rechtsstreit – teilweise schon seit einigen Jahren. „Rechtsstreitigkeiten sind sehr zeitintensiv. Das dafür erforderliche Personal ist seit Jahren nicht vorhanden. Die Verfolgung dieser Ordnungsaufgaben ist entsprechend schwierig”, sagt mir Igel.

Wohnungsnot kein Argument für Schwarzbauten. „Mit Wochenendhäusern bekämpfen wir keine Wohnungsnot in Berlin. Es kann nicht sein, dass der Ehrliche der Dumme ist. Der Großteil der Bewohnerinnen und Bewohner Treptow-Köpenicks hält sich an die geltenden Gesetze. Es ist meines Erachtens auch eine Frage der Gerechtigkeit, gegen Schwarzbauten vorzugehen“, sagt der Bezirksbürgermeister.