Nachbarschaft

Veröffentlicht am 28.05.2018 von Judith Langowski

Björn von Swieykowski ist einer der Betreiber des Festsaals Kreuzberg. 2013 brannte der Club an der Skalitzer Straße aus. In der ganzen Stadt war die Trauer über den Verlust einer der besten Konzertstätten Berlins groß. Seit Anfang 2017 residiert der Club nun am Flutgraben in Treptow. Wir haben mal nachgefragt, wie es seitdem so läuft.

Wie gefällt es euch hier in Treptow? Habt ihr euch schon eingelebt, im Grünen und mit der Nähe zur Spree? Nach 12 Jahren am Kotti tun die Ruhe und das Vogelgezwitscher hier wirklich gut. Aber wir sind ja noch recht zentral und gut angebunden zwischen Schlesischem Tor und Treptower Park. Was uns auch in die Karten spielt, ist, dass man hier noch Lärm machen kann. Es gibt ja keine direkten Nachbarn. Insgesamt haben wir von Künstlern und Gästen nur positives Feedback.

Früher war hier das White Trash – eine Mischung aus Restaurant und Konzertbühne. Wie habt ihr die Räumlichkeiten übernommen? Wir haben anfangs probiert, den Restaurantbetrieb aufrecht zu erhalten. Aber das hat nicht geklappt, also haben wir das Restaurant zu einer multifunktionalen Eventfläche umgebaut. Den großen Biergarten konnten wir so übernehmen. Im Saal, dem eigentlichen Festsaal Kreuzberg, finden die Konzerte und Kulturveranstaltungen statt. Im ersten Jahr haben wir schon über 100 Veranstaltungen darin durchgeführt und nebenher alles fertig gebaut.

Ihr ward immer bekannt für euer profiliertes Booking aus internationalen Newcomern sowie deutschen Indieacts und habt euch damit ein treues Stammpublikum erarbeitet. Wie schwierig ist es, daran wieder anzuknüpfen? Wir stehen immer noch für unser Programm aus progressiver und interessanter Popmusik. Hier finden ähnlich wie früher wieder Clubkonzerte mit Bands statt, die noch nicht Hallen füllen, die aber international in Szenen bekannt sind. Auch viele deutschsprachige Bands: Zugezogen Maskulin hat zum Beispiel hier gespielt, bald kommt Blumfeld. Auch Egotronic spielt seit zehn Jahren immer wieder bei uns. Langsam ist das hier wieder der Treffpunkt einer bestimmten kulturellen Klientel geworden.

Der Vermieter kündigte nach dem Brand den Mietvertrag und möchte dort nun Bürogebäude bauen. Wie schwierig war es für euch, ein neues Zuhause zu finden? Es war sehr schwierig. Wir haben drei Jahre intensiv gesucht. Aber in den stark bebauten urbanen Räumen wie in Kreuzberg hat sich nichts ergeben. Viele Flächen stehen finanziell unter Druck, da wird wahrscheinlich nicht mehr so viel Kulturelles passieren. Man kann nur noch bewahren, was da ist.

Mit dem Sisyphos oder dem Mensch Maier sind bereits einige Clubs in den Osten außerhalb des Rings gezogen. Ist Treptow-Köpenick vielleicht ein zukünftiger Hot-Spot für Clubs und Konzertlocations? Oberschöneweide ist ja immer mal im Gespräch gewesen, da gab oder gibt es einige Projekte, zum Beispiel Kiki Blofeld hat’s da mal probiert. Allerdings haben die internationalen Acts und Booking-Agenturen auch in der Innenstadt noch so viel Auswahl an Clubs, dass sie lieber dort spielen, weil es besser erreichbar ist und sie dann mehr Gäste haben.

Das Kiki Blofeld ist zum Teil auch an den hohen Auflagen von Seiten des Amts gescheitert. Welche Erfahrungen habt ihr mit dem Amt in Treptow-Köpenick gesammelt? Das waren bisher nur positive Erfahrungen, insgesamt sehr konstruktiv und hilfsbereit. Der Bezirk ist interessiert daran, Kreativindustrie anzusiedeln, da werden Spielräume ganz anders ausgelegt wie zum Beispiel in Kreuzberg.

Was ist dort anders? Die Bezirksbürgermeisterin fährt eine populistische Linie antitouristisch und anti-Clubs. Ich finde das katastrophal. Das ist ja ein relevanter Wirtschaftszweig mit vielen kleinen Betrieben. Clubs wie Jonny Knüppel, die haben keine Betriebsgenehmigung bekommen, weil gesagt wurde: „Hier ist schon so viel, das ist dann zu laut.“ Da wird einiges geopfert bei der Unterstützung von Kultur und Clubs. In Treptow war das nie ein Problem, man hat uns hier mit offenen Armen empfangen.

Welche Verbindungen hast du noch zu dem Bezirk? Ich bin Anhänger des 1. FC Union, deswegen bin ich auch regelmäßig in Köpenick. Ich bin ja Wessi, aber mit zwei Kumpels, beide Unioner seit den 70er Jahren, bin ich irgendwann, als Hertha in der zweiten Liga gespielt hat, zum Stadtderby. „Das ist doch geil“, haben die gesagt, „gehste mal mit zu Union“. Seitdem sind wir da schon bei den meisten Heimspielen dabei, ein-, zweimal pro Saison auch auswärts.

Was schätzt du besonders an der Fankultur bei Union? Bei Union herrscht so ein ehrliches Atzentum: die Schlosserjungs und das Selbstverständnis des Vereins als ewiger Underdog. Früher mussten die guten Spieler, die aus dem Betriebssport der Stahlarbeiterszene Köpenicks kamen, ja früher oder später zum BFC oder zu den staatstragenden Vereinen. Union war quasi ein oppositionelles Widerstandsnest. Diese Kultur herrscht fort, das spürt man noch. Bei Freitagabendspielen kommt da auch die Hälfte noch in Arbeitsklamotten mit einem Bier in der Hand ins Stadion. Das ist etwas erfrischend ehrliches, direktes.

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge, gern per E-Mail an meinen Kollegen leute-t.loy@tagesspiegel.de