Nachbarschaft
Veröffentlicht am 04.03.2019 von Thomas Loy

Eine schwere Last ist von ihr abgefallen. Sie sei „richtig glücklich“, sagt Eva Noack, Malerin im Atelierhaus Mengerzeile (auf dem Foto links) in Alt-Treptow. Nach fünf Jahren Ungewissheit, immer neuen Verhandlungen mit Banken, Behörden und dem Eigentümer haben die 37 in einem Hausverein organisierten Künstler am vergangenen Donnerstag einen neuen Mietvertrag unterschrieben, der ihnen auf 23 Jahre eine günstige Miete zusichert.
Der Eigentümer hat einen Mietvertrag über 23 Jahre unterschrieben, das ist ja gigantisch lang. Wie ist das zustande gekommen? Wir haben Christoph Höhne von Argos Real Estate das Haus eigentlich wieder abkaufen wollen, dazu gab es auch ein Angebot inklusive Bankkredit, doch die Bank ist wieder abgesprungen. Dann brauchten wir kurzfristig ein Darlehen über zwei Millionen Euro. Wir haben bei der Stiftung Nord-Süd-Brücken nachgefragt und uns ein Finanzierungskonzept überlegt. Der Stiftungsvorstand stimmte zu, die Stiftung und der Eigentümer konnten sich aber nicht einigen. Wir haben Höhne zehn Wochen lang mit Vorschlägen bearbeitet, bis er schließlich zusagte, das Haus zusammen mit uns zu entwickeln. Wir mussten eine Etage abgeben, und unsere Ausstellungshalle wurde abgerissen. Aber alles ist saniert worden, bei laufendem Betrieb. Die Miete, 5,90 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete, soll 23 Jahre lang nicht steigen, bis auf einen Inflationsausgleich. Falls das Haus wieder verkauft wird, haben wir ein Vorkaufsrecht.
Der Eigentümer scheint ein freundlicher Mensch zu sein. Ja, wir haben uns zusammengerauft und gegenseitig das Vertrauen erarbeitet. Christoph ist nicht unbedingt kunstaffin, aber wir haben sehr gut zusammengearbeitet, er hat sich immer auf uns verlassen können. Wir haben das zu zweit gemacht, meine Kollegin Ilona Ottenbreit (auf dem Foto rechts) und ich.
Was könnte anderen Künstlern helfen, die in ähnlicher Lage sind? Wir hatten damals eine Landesbürgschaft für den Kredit angefragt, konnten aber keine bekommen, weil nur Unternehmen Bürgschaften erhalten. In einem Modellprojekt haben wir die Bürgschaftsrichtlinien des Senats verändert. Inzwischen ist das auf den Weg gebracht. 16 Millionen Euro werden bereit gestellt, speziell für Künstler, die ihr Haus oder Atelier kaufen wollen. Wir wurden von der Senatskulturverwaltung angefragt, die Künstler zu beraten, die sich in einer ähnlichen Lage befinden und in der Jury zur Vergabe von Landesbürgschaften stimmberechtigtes Mitglied zu sein.
Und mit den künftigen Nachbarn wird man sich arrangieren? In die Büroetage ziehen Kreative ein, ins Vorderhaus kommen Wohnungsmieter. Mit den Ateliers im Hinterhof wurde auch für die Wohnungen geworben. Die Eröffnungsparty ist am 21. September.
Eva Noack wurde 1977 in Cottbus geboren, studierte Freie Kunst in Rom und Braunschweig und arbeitet seit elf Jahren in der Künstlerkommune an der Mengerzeile in Alt-Treptow.
tagesspiegel.de, mengerzeile.de
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-t.loy@tagesspiegel.de