Nachbarschaft
Veröffentlicht am 11.11.2019 von Thomas Loy

Hauptmann von Cöpenick, Twitter-Berliner aus Sachsen mit Wohnsitz Charlottenburg-Wilmersdorf, derzeit 24 Follower
Vergangene Woche tauchte plötzlich ein Hauptmann von Köpenick im Twitteruniversum auf, kurz @HvK1906, wenig später konvertierte er zu @HvC1906. Er kommentiert das aktuelle Zeitgeschehen, schickt ein Foto vom Teufelsberg (Abhörstation) in die Welt und erinnert zum 9. November an die Pogrome von 1938. Auf die Frage, wer er sei, bittet HvC um äußerste Diskretion. „Will aber komplett nach außen anonym bleiben.“ Außerdem schlägt er vor, das verschlüsselte Chatsystem Threema zu benutzen. Das folgende Interview durfte ich dann doch über den reichlich ungeschützten Facebook-Messenger führen.
Warum haben Sie mit dem Twittern angefangen – und warum unter der Hauptmann-Figur?
Ich wusste nicht, wie man aktiv auf Twitter schreibt und habe lange Zeit nur mitgelesen. Dann habe ich mir diese fiktive Identität hier auf Twitter „zurechtgebastelt“ – Analogie: Herr Voigt und die Hauptmann-Uniform.
Warum verstecken Sie sich hinter dem Hauptmann?
Weil ich nicht mit meinem Realnamen im Netz gefunden werden möchte. Deshalb bin ich auch auf Twitter und nicht auf Facebook, da dort Klarnamen-Pflicht.
Welche Themen wollen Sie auf Twitter kommentieren?
Hauptsächlich Themen aus der Berliner Geschichte und zudem aktuelle (ggf. auch politische Themen wie: FakeNews als Analogie zum Hauptmann, wachsende Gefahr von rechts, Klimawandel, Arm-Reich-Schere …
Wohnen Sie in Köpenick oder anderswo in Berlin?
ChaWi.
Was verbindet Sie persönlich mit der Figur HvK? Tragen Sie auch gerne Uniform?
Verbindung: Herr Voigt hat auch etwas vorgegeben, was er nicht ist. Uniform: Auf gar keinen Fall. Metaebene: Ich gebe die Identität von jemandem vor, der eine Identität vorgibt,
Was halten Sie – mal ganz ehrlich – vom Köpenicker Bürgermeister, dem von 1906 und dem amtierenden?
Der erste Teil ist eine Fangfrage, oder? Denn es gab 1906 keinen Köpenicker, allenfalls einen Cöpenicker Bürgermeister. Vom Regierenden Bürgermeister von Berlin halte ich eine ganze Menge. Er vertritt unsere Stadt würdig in leisen Tönen und wirkt auf mich sehr sympathisch. Ich finde das Berliner Chaos hat er gefühlt etwas abgemildert. Den Köpenicker Bezirksbürgermeister Oliver Igel kenne ich als ChaWi-er leider nicht so wirklich. Aber er wirkt sehr sympatisch auf den ersten Blick. Ich werde mich mal belesen und kann Ihnen gegen 14 Uhr meine fundiertere Meinung zu ihm schreiben.
Nee, das ist hier ja kein Proseminar Lokalpolitik, sondern ein Quasi-Live-Interview. Also nächste Frage, zugleich die letzte: Was darf der neugierige Leser dieses Interviews von Ihnen wissen? Alter, Geschlecht, Haarfarbe, Beruf, Berliner seit wann? Wie erinnern Sie sich an den Mauerfall?
Alter: unter 50, Geschlecht: männlich, Haarfarbe: fast keine mehr, Berliner: seit frühen 80-ern, Mauerfall: Dass der Mauerfall sehr bittere und gleichzeitig so wunderbare Ereignisse für mein Leben gebracht hat. Ich habe die Nachricht live auf DT64 gehört und später die! PK im Fernsehen gesehen. Für mich hat GS (Günter Schabowski) die Mauer „fallen“ lassen, eine Sternstunde des Fernsehens.
Also Ossi, gebürtig woher?
Ähm, Ossi? in erster Linie fühle ich mich als Berliner. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich bin im Gebiet des heutigen Freistaates Sachsen geboren. Ich müsste aber lügen, dass ich wegen des Bildes der Sachsen, welches auch Ihr sehr geschätzter Kollege Herr @MatthiasMeisner (unbekannter Weise viele Grüße) beleucht, welches die Menschen dort bei vielen Deutschen hinterlässt, nach Berlin gezogen bin.
Foto: Museen Treptow-Köpenick. Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-t.loy@tagesspiegel.de