Nachbarschaft
Veröffentlicht am 20.07.2020 von Simone Jacobius
Mario Weichel, 40, vom Messebauer zum Bootsverleiher dank Corona
Mit Plan-B auf die Spree. Unter diesem Slogan hat sich Mario Weichel bei uns als Nachbar beworben. Was ihn auszeichnet? Vor allem seine Kreativität und sein Mut. Seit zehn Jahren arbeitet er im Messebau und in der Veranstaltungstechnik – und das mit Liebe und Leidenschaft als Solo-Selbständiger. Was das jetzt in Corona-Zeiten bedeutete, kann sich jeder vorstellen: Schlagartig brachen ihm alle Aufträge und Jobs weg, als der Lockdown ausgerufen wurde. Die 5000 Euro Soforthilfe waren rasch aufgebraucht, dann ging es ans Eingemachte. Das Geld, mit dem er sich nach Saisonende bei einer schönen Europatour erholen wollte, musste ran.
Der begeistere Veranstaltungstechniker ist sich sicher, „dass in diesem Jahr kein Veranstalter, ob mit oder ohne Veranstaltungsverbot, das Risiko einer Großveranstaltung eingehen wird.“ Also musste ein Plan B her. Da er sich auch für andere Dinge leidenschaftlich begeistern kann, schaltete er um. „Wenn man in Köpenick lebt, kommt man um Wassersport und alle möglichen Freizeitaktivitäten rund um Dahme und Spree nicht herum. Auch ich habe ein kleines Segelboot, die Big Betty“, erzählt er. Von seinem letzten ersparten Geld kaufte er sich zwei gebrauchte Kajaks sowie ein älteres kleines Motorboot. Auch eine Holzsegeljolle hat er reaktiviert.
Weil der Markt an Bootsverleihen schon gut gesättigt ist, musste ein Alleinstellungsmerkmal her. Mario Weichel hat es quasi in der Mottenkiste gefunden: Seine Liebe zur traditionellen Seefahrt brachte ihn darauf, alte, noch echte Boote zu vermieten statt schwimmender Plastikwannen. Big Betty ist ein waffelgetakeltes Stahlsegelboot (und nebenbei auch Namensgeberin des neuen Bootsverleihs an der Wendenschlossstraße), die Segeljolle ist ein originaler Holzpirat von 1954, das 1er-Kajak ein Unikat und Eigenbau des Kajakveteranen Jörg Hahn – mit einem Holzbug. Auch der Aufhänger war schnell gefunden: „Unikate & Klassiker“.
Weichel ist jemand, der sein Schicksal selbst in die Hand nimmt. Seit diesem Monat ist er also Bootsverleiher für klassische und traditionelle Wasserfahrzeuge statt Messebauer. „Auch wenn die Situation neben der Eventbranche noch viele weitere Branchen schwer trifft, muss man nach so langer Auszeit nach einem Plan B suchen. Ich hoffe, diesen Weg jetzt gefunden zu haben und wünsche mir, ohne weitere Zuschüsse und Kredite auszukommen“, meint er zuversichtlich. Sein Wunsch: auch einigen der Kollegen Mut zu machen, etwas Neues zu wagen. big-betty.de
Foto: privat
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