Nachbarschaft
Veröffentlicht am 19.04.2021 von Thomas Loy

In einem Offenen Brief hat sich die Chefin des Theaters Adlershof, das inzwischen Theater-Ost heißt, an Kultursenator Klaus Lederer (Linke) gewandt. Darin geht es um die Not der privaten Kulturszene, die sich in der Diskussion um Öffnungsstrategien in der Pandemie weitgehend ausgeblendet sieht. Kathrin Schülein kündigt in dem Brief an, ihr Theater am 2. Mai wieder zu öffnen. Pandemiegerecht als Open-Air-Veranstaltung mit einem Schnelltest für die Gäste, aber ohne Genehmigung durch die Behörden. Eine Protestkundgebung, deren Folgen für Schülein und ihren Theaterbetrieb nicht absehbar sind.
Frau Schülein, hat Klaus Lederer schon auf den Brief reagiert? In einer Debatte hat sich Klaus Lederer zum Thema Open-Air-Veranstaltungen und Initiative Draußenstadt geäußert und auch ganz klar positioniert. Und ich werte das auch mal als öffentliche Reaktion, er kämpft ja auch dafür, dass die Kultur wieder geöffnet werden kann. Er beruft sich ja auch auf die wissenschaftlichen Ergebnisse der Aerosol-Forscher, dass draußen Ansteckungen eben verschwindend gering sind.
Ist diese Veranstaltung am 2. Mai in einem Zelt vor dem Theater geplant? Nein. Unser Zelt, das wir im Herbst als Ersatzspielstätte aufbauen durften, müssen wir bis Ende April nach 90-prozentiger Nichtnutzung wieder abbauen, weil die Fläche wieder vom Land Berlin genutzt wird. Wir bauen ja derzeit unseren Theatersaal um.
Sie ziehen die Open-Air-Veranstaltung zum Saisonauftakt also durch? Die wollen wir durchführen. Wir wissen, dass wir damit ein großes Risiko eingehen. Aber wir wollen jetzt ein Zeichen setzen, damit Kultur und Kunst wieder wahrgenommen werden. In den öffentlichen Debatten, die jetzt um den Lockdown stattfinden, tauchen wir gar nicht mehr auf. Da geht es um Schulen, um Kitas, um den Einzelhandel, um Reisen, was alles seine Berechtigung hat. Aber Kunst und Kultur wird gar nicht mehr erwähnt, und wir steuern jetzt auf die warmen Monate zu. Jetzt wäre doch die Zeit, wo sich Kunst und Kultur auch finanziell vielleicht ein bisschen erholen könnten.
Sie machen es wie der Einzelhandel: Wer sich getestet hat und negativ ist, kann ins Theater? Also grundsätzlich und das ist mir wichtig: Wir sind keine Pandemie-Leugner. Wir wollen alle nicht krank werden. Wir haben extra Kollegen ausbilden lassen, die dann berechtigt sind, zu testen. Wir wollen eine eigene Test-Station vor unserem Eingang aufbauen. Dort können Gäste, die sich spontan entschließen und keinen aktuellen Test mitbringen, von uns getestet werden. Ansonsten bleiben alle Hygieneregeln erhalten, so wie auch im letzten Jahr. Wir hatten letztes Jahr zwei Kontrollen vom Ordnungsamt, die fanden das alles großartig.
Gibt es schon ein Theater-Programm für die kommenden Wochen? Ja, der Spielplan für Mai steht schon fest. Wir eröffnen die Saison am 2. Mai mit dem Konzert „Halb und Halb“ mit Hans-Eckardt Wenzel. Am 7. Mai geht es dann weiter.
Inzwischen heißt die Bühne nicht mehr wie der Kiez, sondern wie die Himmelsrichtung „Ost“ – das ist für mich ein Anklang an die Volksbühne. Die hatte ja den Zusatz „Ost“ lange Zeit auf dem Dach installiert. Ist das ein Bekenntnis zur alten Volksbühne unter Castorf? Gar nicht. Nein. In allererster Linie hat es einen ganz banalen Grund. Ich bin 2018 mit einem Ballett-Abend durch die Republik getourt, und da wurde mir in den Häusern oft unabhängig voneinander gesagt, dass junge Menschen mit dem Begriff Adlershof nichts mehr anfangen können. Das ist eben nur ein Ortsteil. Da fingen die Überlegungen schon an sich umzubenennen. Da hier nun mal das Herz des DDR-Fernsehens schlug, „Aktuelle Kamera“ und so weiter, und in unserem Spielplan zu 50 Prozent Künstler auftreten, die beim DDR-Fernsehen gearbeitet haben, passt der Name. Zunächst ging es mehr in Richtung Theater des Ostens, weil es ja auch ein Theater des Westens gibt. Dieser Name ist aber geschützt. Den dürfen wir nicht verwenden. Und deshalb kam am Ende der Diskussionen „Theater Ost“ raus, kurz TheO. Mal ganz davon abgesehen, dass ich selbst die russischen Dramatiker sehr schätze.
Wer hat denn Theater des Ostens für sich reklamiert? Das hängt mit dem Theater zusammen, was in Karlshorst am Bahnhof steht. Das ehemalige Haus der Offiziere. Das hat eine Zeit lang die Regisseurin Vera Oelschlegel betrieben. Die nannte es damals das Theater des Ostens. Das Haus wurde dann geschlossen, aber der Name blieb bei der Tournee-Truppe, die sich daraufhin bildete.
Wie geht es dem Theater-Ost nach fast sechs Monaten Zwangspause? Als Theater würden wir noch durchhalten. Aber das Haus wird ja durch mich in einer Art Solo-Selbstständigkeit betrieben. Und bis heute ist nicht genau definiert, für welche laufenden Kosten Selbstständige Hilfen vom Staat bekommen dürfen. Ich muss ja meine Miete bezahlen und so weiter. Es sind wunderbare Programme aufgelegt worden, von denen wir auch profitiert haben, vor allem „Neustart Kultur“. Bis Ende dieses Jahres bekommen wir 80 Prozent unserer Personalkosten erstattet. Das ist natürlich ein riesiger Posten und erleichtert mir die Arbeit. Aber von irgendwas muss ich ja auch leben. Und das wird jetzt langsam schwierig.
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-t.loy@tagesspiegel.de