Nachbarschaft

Veröffentlicht am 17.05.2021 von Thomas Loy

Sie kommt aus Friedrichshagen, ist in Rahnsdorf aufgewachsen, hat drei kleine Kinder, ist 34 Jahre alt, radelt regelmäßig um den Müggelsee und möchte grüne Stadträtin werden. Das ist die Ultrakurzform der Biografie von Claudia Leistner, der Spitzenkandidatin der Grünen für die Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung am 26. September.

Die etwa längere Version lesen Sie hier: Ein blonder Lockenkopf, sonnengebräunt am Strand, das Profilbild auf Facebook stammt von 2017. Noch ein paar Einträge bis 2020, das war’s dann schon. Auf Twitter ist die promovierte Juristin gar nicht vertreten. Bisher agierte Claudia Leistner bei den Berliner Grünen eher im Hintergrund, als Referentin der Abgeordnetenhausfraktion für Inneres und Sport, aber auch als Expertin für alle Rechtsfragen und Datenschutzbeauftragte. Das soll sich nun ändern, sie will nach vorne.

In die Partei eingetreten ist sie erst 2017, auch das war ein längerer Entscheidungsprozess. „Vom Herzen her bin ich Grüne, sonst hätte ich mich auch gar nicht bei der Fraktion beworben.“ Im Kreisverband der Grünen in TreKö  ist sie dann schnell in den Vorstand aufgerückt. Das grüne Herz pochte schon in der Schule, auf dem Gerhart-Hauptmann-Gymnasium in Friedrichshagen; dort war sie Klassensprecherin, engagierte sich bei der Grünen Liga und leitete Podiumsdiskussionen zum Irak-Krieg. Weil es im Jurastudium an der Viadrina-Uni in Frankfurt (Oder) eher weniger um die politischen Hintergründe von Gesetzgebung und Rechtsprechung ging, belegte sie nebenher noch Politikwissenschaft.

Politik liegt in der Familie. Ihr Urgroßvater war der Theologe Heinrich Vogel, der in der Bekennenden Kirche gegen das NS-Regime arbeitete. Er war mehrfach in Haft und erhielt Schreibverbot. Ihr Großvater, ebenfalls Pfarrer, erzählte ihr aus dieser Zeit. Ihre Eltern engagierten sich politisch in der DDR-Opposition, ihr Vater war in der kirchlichen Friedensbewegung aktiv.

Worum sie sich politisch kümmern möchte: Bessere Strukturen für die Bürgerbeteiligung, auch und ganz besonders für Kinder und Jugendliche. Es brauche eine „transparente, digitale und bürgernahe Verwaltung, die auch personell und finanziell besser ausgestattet ist“. Die Menschen möchten sich beteiligen, seien sehr verbunden mit ihrem Kiez, aber es fehlten die Möglichkeiten, sagt sie. Wichtig sind ihr auch die Wohn- und Mietenpolitik, der Bezirk müsse mehr Milieuschutzgebiete ausweisen und das Vorkaufsrecht öfter anwenden. Es gebe zu wenig Sport- und Spielflächen, Kita- und Schulplätze und Freizeiteinrichtungen. Die Mobilitätswende müsse konsequent verfolgt werden, also eine bessere ÖPNV-Anbindung, mehr Fuß- und Radwege. Und die Realisierung der Nahverkehrstangente, auch Schienen-TVO genannt.

Fast 15 Hektar Wuhlheide-Wald müssten für die TVO gerodet werden, das findet sie auch nicht in Ordnung, aber die TVO sei eben ein politischer Kompromiss. Die Straßen-TVO einfach weglassen und nur eine Schienenverbindung nach Marzahn bauen, „das wäre für den Wald wünschenswert, aber wesentliche Weichen für beides sind schon gestellt“. Die Grünen im Bezirk hätten sich lange Zeit gegen die TVO ausgesprochen, aber dann den Kompromiss innerhalb der Senatskoalition von Rot-Rot-Grün akzeptiert.

Die Grünen kamen bei den BVV-Wahlen 2016 auf 9,4 Prozent, das reichte nicht für einen grünen Stadtratsposten. Diesmal soll es deutlich aufwärts gehen, „stärkste Kraft im Bezirk“ sollten die Grünen werden, wünscht sich Claudia Leistner. Die grünen Themen würden jetzt deutlich stärker wahrgenommen als 2016, als noch die Flüchtlingskrise dominiert habe. Die Mitgliederzahl im Bezirk habe sich inzwischen fast verdoppelt, auf 330. Sie könne sich vorstellen, einen Stadtratsposten zu übernehmen, wenn es denn vom Stimmenanteil her dafür reiche. Solche Personalentscheidungen würden natürlich erst nach der Wahl gefällt. Eine promovierte Juristin wird sich selbstverständlich an die Regeln halten.

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-t.loy@tagesspiegel.de