Nachbarschaft
Veröffentlicht am 11.04.2022 von Thomas Loy

In der Ukraine fühlte er sich wohl. Und vor allem sicher. „Wir hatten ein gutes Leben.“ Daniel Okafor, 38, arbeitete auf dem Barabashova-Markt in Charkiw, einem der größten Märkte in Europa. Am Morgen des 24. Februar rief ihn sein Cousin an, um 7 Uhr morgens. „Der Krieg hat begonnen, sie bombardieren Kiew“. Als die russischen Raketen auch ihr Viertel erreichten, zogen sie in den Keller. Sechs Tage lang. Die Lebensmittel wurden knapp. Dann erfuhr er, dass die Grenzen nach Westen offen sind, wer wollte, konnte fliehen.
Kleider verbrannt gegen die Kälte. Zusammen mit Freunden, seinem Cousin und dessen Frau stieg er in einen Zug und fuhr tagelang zur polnischen Grenze. Dort standen sie dann in der langen Warteschlange, „drei oder vier Tage lang, geschlafen haben wir draußen in der Kälte.“ Einige hätten aus Verzweiflung ihre Kleider aus den Koffern verbrannt, um ein bisschen Wärme zu haben. Auf der polnischen Seite wurden sie versorgt, „sie haben uns gut behandelt“. Berichte von Diskriminierung kann Daniel nicht bestätigen. Sie fuhren weiter mit dem Zug nach Frankfurt (Oder) und von dort nach Berlin. Im Ankunftszentrum wurden sie auf verschiedene Unterkünfte verteilt. Daniel kam nach Johannisthal.
Vermittlung gescheitert. Die Aufnahme in Johannisthal war sehr gut, erzählt Daniel, „Jeder ist sehr nett zu mir, ich würde gerne bleiben.“ Aber weil es eine Notunterkunft ist, kümmerten sich die Helfer um eine längerfristige Bleibe, das Quartiersmanagement der Johanniter stellte den Kontakt zum Tubman Network her, einem Zusammenschluss von Organisationen für Schwarze Menschen. Das Network betreibt auch ein Büro am Dammweg in Neukölln. Die Helfer wollten einen dauerhaften Schlafplatz für ihn organisieren. Doch als Daniel letzte Woche umziehen sollte, gab es plötzlich Probleme, und er kehrte wieder zurück nach Johannisthal. Er lebt weiter in einem Haus auf dem Kirchengelände, das eigentlich grundsaniert werden sollte. Innerhalb weniger Tage wurde es wieder bewohnbar gemacht. Daniel ist inzwischen der längste Gast hier.
Wohnhaus in Kiew zerbombt. Ob er zurück möchte in die Ukraine? Nein. Der Markt, auf dem er gearbeitet hat, sei zerstört worden, erzählt Daniel, auch sein Wohnhaus sei von Bomben getroffen worden. Nach Nigeria will er auch nicht zurück. Auch dort sei niemand sicher. Verfeindete Milizen würden Straßen blockieren, Dörfer überfallen, Menschen kidnappen und töten. „In Nigeria gibt es keinen Frieden.“ Im November 2020 war er in die Ukraine geflohen, ganz legal per Flugzeug. Von der Botschaft hatte er ein Arbeitsvisum bekommen. Arbeiten und sicher leben, das wünscht er sich. Am besten künftig in Deutschland.
Foto: Thomas Loy
Videokonferenz für Ukraine-Gastgeber. Wer Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat, braucht viele Infos und Unterstützung. Das Bezirksamt bietet für Fragen und zum Austausch der Familien am Mittwoch, 20. April, von 18 bis 20 Uhr eine Videokonferenz an. Nähere Infos: berlin.de
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