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von Cay Dobberke
Veröffentlicht am 18.08.2023
nach einem antisemitischen Brandanschlag soll die zerstörte Bücherbox vor dem S-Bahnhof Grunewald neu entstehen. Für den kommenden Sonntag ab 14 Uhr ruft der Erfinder der Nachhaltigen BücherboXXen, Konrad Kutt, zu einer Mahnwache mit Musik und Lesungen auf. Dabei will er auch Spendengelder sammeln.

Die für den Büchertausch modifizierte Telefonzelle enthielt wegen ihrer Nähe zum Deportationsmahnmal Gleis 17 am Bahnhof Grunewald vor allem Literatur über die Verfolgung und Ermordung vieler Berliner Juden in der Nazizeit. Auf die Verbindung zum Mahnmal wiesen der Schriftzug „Gleis 17“ und hebräische Schriftzeichen hin.
Ein mittlerweile verhafteter und geständiger 63-Jähriger zündete die Bücherbox am vergangenen Samstagmorgen an und hinterließ ein antisemitisches Schreiben. Ermittler kamen ihm wegen früherer Taten auf die Spur. An verschiedenen Orten in Berlin hatte er Wahlplakate, Plakate des Lesben- und Schwulenverbandes sowie die Tafel einer Kita beschädigt. Danach konnte der 63-Jährige identifiziert werden. Im vergangenen Mai klagte die Staatsanwaltschaft ihn an.
Er hatte stets Schriftzüge mit demselben fiktiven Namen zurückgelassen, mit dem auch das jüngste Schreiben unterzeichnet war. Dem Mann werden außerdem versuchte Brandanschläge auf einen Verein lesbischer Frauen in Neukölln und auf das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen in Tiergarten zur Last gelegt.
Die Kosten einer neuen Bücherbox schätzt Konrad Kutt auf 10.000 Euro. Spenden können auf ein Konto überwiesen werden, das die Europäische Akademie Berlin in Grunewald ihm bereits vor dem Anschlag zur Verfügung gestellt hatte (Konto der Europäischen Akademie Berlin, Stichwort „BücherboXX“, Berliner Volksbank, IBAN: DE 90 1009 0000 2112 1610 00).
Theoretisch wäre ein schneller Ersatz möglich. Denn eine Bücherbox, die früher am Halemweg in Charlottenburg-Nord stand, befindet sich zur Reparatur in einer Werkstatt und könnte kurzfristig hergerichtet werden. Doch Kutt möchte als Reaktion auf den Anschlag zunächst „eine gewisse Zeit der Trauer und der Verarbeitung“ vergehen lassen.
Vor 14 Jahren hatte er sein Projekt für den kostenfreien Büchertausch in ausgedienten Telefonzellen gestartet, das auch viele Nachahmer fand. 2019 zeichnete das Bezirksamt ihn mit der Charlottenburg-Wilmersdorfer Bürgermedaille aus.
Die BVV-Fraktionen der SPD und der Linken haben den Brandschlag in schriftlichen Erklärungen verurteilt. Dabei erklärte die SPD, den Spendenaufruf zu unterstützen, während die Linken auch das Bezirksamt zu einem Beitrag auffordern und sich erneut dafür aussprechen, das Amt eines oder einer bezirklichen „Beauftragte:n gegen Antisemitismus und Rassismus“ zu schaffen.
Mehrmals schon wurden Bücherboxen im Bezirk attackiert. Bei diesen Vorfällen gab es aber keinen erkennbaren politischen Hintergrund. Mitglieder der Bürgerinitiative Stuttgarter Platz hatten 2019 eine „Stutti Box“ aufgestellt, die im Jahr 2022 zuerst mutwillig beschädigt und wenig später durch eine Brandstiftung zerstört wurde.
Außer Betrieb ist derzeit auch die „Bücherzelle“ des Vereins Miteinander im Kiez auf dem Leon-Jessel-Platz in Wilmersdorf.

Darin habe jemand in der Nacht zum 27. Juli offenbar „etwas zum Explodieren gebracht“, sagt Ingrid Lienke, die dem Vereinsvorstand angehört. Sie hofft, dass eine Reparatur der starken Schäden möglich ist, weil man „solche Telefonzellen wohl nicht mehr kaufen kann“. In den nächsten Tagen sei eine Begutachtung geplant. Lienke sieht auch „eine positive Seite dieses sehr unschönen Ereignisses“: Viele Menschen aus der Nachbarschaft hätten „sofort ihre Hilfe und Spenden angeboten“.
- Die englische rote Telefonzelle, die seit rund 40 Jahren auf dem Fehrbelliner Platz in Wilmersdorf steht und seit 2016 als BücherboXX dient, ist zur temporären Mini-Galerie geworden. Konrad Kutt präsentiert darin Karikaturen des Tagesspiegel-Karikaturisten Klaus Stuttmann zum Thema „Brexit“. Der Büchertausch ist vorübergehend nicht möglich, weil die alte Tür zur Reparatur in eine Werkstatt gebracht werden musste.
