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von Corinna von Bodisco

Veröffentlicht am 13.12.2018

es gibt nun Regeln für Karl-Marx-poly. Sowohl in der vorletzten als auch in der gestrigen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) lag das Sujet der Karl-Marx-Allee dicke in der Luft. Seit Wochen diskutieren und streiten Bezirk und Senat über Lösungen für den drohenden Kauf von 700 Wohnungen durch den Immobilienkonzern Deutsche Wohnen. SPD, Linke und Grüne beschlossen im Koalitionsausschuss „Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung und untragbaren Mieterhöhungen zu schützen“.

Und wie geht das? Einer der vier Blöcke, namentlich „D-Süd“, liegt im Milieuschutzgebiet, der Bezirk kann folglich von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Eine Zusage der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) liegt nun vor, twitterte Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) am gestrigen Mittwoch. Die Mieterinnen der Blöcke außerhalb des Milieuschutzgebietes müssen Karl-Marx-poly spielen – und zwar schnell. Allerdings nicht nach kapitalistischen Regeln, sonst hieße es ja Monopoly. Karl-Marx-poly ist ein ernstes Spiel, denn es geht um das Recht auf Wohnen.

Modell 1 kann es nur mit Modell 2 geben und andersherum. Für den sogenannten „gestreckten Ankauf“ einigte sich der Ausschuss nach „harten Wortgefechten“ darauf, folgende zwei Modelle zu verfolgen:

  1. Das IBB-Modell von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), das es Mieterinnen erlauben soll, ihre Wohnungen mit zinsgünstigen Krediten der Investionsbank IBB zu erwerben und über zehn Jahre abzubezahlen. Eine „Spekulationsbremse“ soll einen kapitalorientierten Weiterverkauf verhindern (eine Wohnung wurde bereits für 1,1 Millionen Euro angeboten).
  2. Das „Rekommunalisierungsmodell“, originär erarbeitet von Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) und Staatssekretär Sebastian Scheel (Linke). Wie bei Modell 1 machen die Mieterinnen von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch – via Kredit (im Gespräch ist die GLS-Bank). Die frisch erworbene Eigentumswohnung bleibt dann aber nur eine „juristische Sekunde“ in Mieterinnenhand, erklärte Schmidt in der BVV. Eigentlich wird sie augenblicklich und zu den gleichen Konditionen an ein landeseigenes Wohnungsunternehmen (wohl die Gewobag) weiterverkauft. Das Modell sei für die Mieterinnen „risikoarm“, verspricht der Baustadtrat.

Lösung mit Baustellen. Wie praxistauglich die juristisch und finanziell äußerst komplizierten Modelle sind, wird sich zeigen. Kritik wird vor allem von Seiten der FDP laut: Auf die Frage von Michael Heihsel, wie es denn beim Weiterverkauf an die WBM um die Transaktionskosten bestellt wäre, bestätigte Schmidt: Beim doppelten Verkauf würden auch doppelte Kosten anfallen.

„Es wird um Anwesenheit aller Mieter*innen gebeten“. Am kommenden Dienstag will der Senat den Plan des „gestreckten Ankaufs“ beschließen. Für den morgigen Freitag hat das Bezirksamt ab 19h alle Mieterinnen der Blöcke C-Nord, C-Süd und D-Nord ins Kino Kosmos (Karl-Marx-Allee 131A) geladen. Ziel der Veranstaltung ist es, über die Modelle und die weiteren Schritte zu informieren. Außerdem anwesend: Vertreterinnen des Senats und des Mieterbeirats. Die Zeit für die nächsten Schritte drängt, denn bis zum 5.1.2019 müssen die Mieterinnen entscheiden, ob sie ihr Vorkaufsrecht ausüben wollen. Bis dahin sind auch die aufwändigen Transaktionskosten zu leisten.

Corinna von Bodisco ist freie Autorin beim Tagesspiegel, lebt in Kreuzberg und schreibt überall. Wenn sie nicht gerade wieder umzieht, schneidet sie vermutlich an ihren Hörstücken. Neue Themenideen und Kritik liest sie gerne per E-Mail oder auf Twitter.