Nachbarschaft
Veröffentlicht am 15.04.2021 von Corinna von Bodisco

Rainer Kasten und seine Frau sind die letzten Bewohner*innen der Hasenheide 47. An die 40 Jahre leben sie in ihrer Wohnung, ihre vier Kinder sind dort groß geworden.
Das ganze Haus steht leer. Die 24 anderen Wohnungen im Vorderhaus und im Quergebäude stehen leer, keine wurde nach Auszug der ehemaligen Nachbar*innen weitervermietet. Die ersten Mieter*innen zogen vor etwa zehn Jahren aus, die letzten vor einem Monat, berichtet Rainer Kasten. Aktuell sei das Haus „Baustelle“ – oft ohne Treppenhauslicht. Der 67-Jährige muss eine Taschenlampe nutzen, wenn er das Haus verlässt. Die Post traue sich gar nicht mehr rein.
Als das Dach kaputt war vor etwa zehn Jahren, habe es reingeregnet. Der Schaden sei aber nicht richtig instand gesetzt, sondern nur geflickt worden. Der Wasserbaumeister vermutet eine mutmaßliche Vernachlässigung des Gebäudes, damit die Mieter*innen ausziehen. Zum Teil wurden auch Abfindungen angeboten. „Uns wurde vor fünf Jahren 35.000 Euro angeboten, wenn wir sofort ausziehen“, sagt Kasten. Schon damals habe er sich gewundert: das Gespräch fand mit einem Vermittler in einer Kneipe statt.
„Wir haben eine traumhafte Wohnung“. Kasten und seine Frau wollten aber nicht ausziehen, denn eine Miete knapp unter 1.000 Euro für 150 Quadratmeter mit Parkett, Flügeltüren und bunten Bleiverglasungen – klar, das findet man nicht mehr so schnell. Die anderen Wohnungen sahen genauso schön aus, „aber alles wurde rausgerissen“.
Eigentümerin ist die Majakit Berlin Grundstücks GmbH. Über die Plattform „North Data“ taucht in dieser Verbindung auch die „Hasenheide 47 Grundstücks GmbH“ auf. Für den Tagesspiegel war die Eigentümerin nicht erreichbar. Seit November 2020 seien auch sämtliche nicht-tragende Wände entfernt worden. „Die wollen den alten Grundriss entfernen und praktisch einen Neubau herstellen“, so Kastens Vermutungen. Begründet worden seien die Umbauten mit Hausschwamm und Pilzbefall.
Laut Berliner Mieterverein sind Grundrissänderungen zur Schaffung großzügiger Wohnungsgrundrisse in Milieuschutzgebieten allerdings keine „allgemein üblichen“ Maßnahmen (berliner-mieterverein.de, Punkt 4). Solche Luxusmaßnahmen müssten vom Bezirk genehmigt werden, andernfalls wäre es eine Ordnungswidrigkeit. In der Hasenheide 47 „wurden lediglich Maßnahmen zur Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungsstandards genehmigt“, teilt das Bezirksamt mit – also solche Änderungen, die mit der Milieuschutzssatzung vereinbar sind.
Am Verhandeln. Vor zwei Jahren haben die Kastens wegen Wasserschaden in ihrer Wohnung geklagt und erreichten 50 Prozent Mietminderung. Die Verwaltung sei nie vor Gericht erschienen, „für die sind das Peanuts“, sagt der letzte Mieter. Aktuell befinde man sich im Streit darüber, ob in ihrer Wohnung der Fußboden, die Decken und die Wände ausgewechselt werden müssen. Dann müssten sie für die Bauarbeiten tatsächlich ausziehen, aber einen gleichwertigen Wohnersatz gibt es nicht.
Hasenheide-Not. Zusammen mit anderen Mieter*innen von verkauften Hasenheide-Häusern (Nr. 50, 52/53) haben die Kastens vergangene Woche protestiert (wir berichteten). „Man redet über die Bebauung des Tempelhofer Feldes, aber nicht darüber, dass mitten in Kreuzberg so viel Wohnraum leer steht“, empört sich Kasten.
Unterstützung. Zumindest habe die SPD- und die Linken-Fraktion sowie das Büro der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger Unterstützung angekündigt, berichtet Kasten. Bei der nächsten Bezirksverordnetenversammlung (BVV) würde zum Leerstand in der Hasenheide 47 eine Anfrage gestellt werden. „Alle sagen, ihnen ist der Leerstand nicht bekannt“ – der langjährige Mieter versteht das nicht.
- Die Vorkaufsfrist für die Hasenheide 52/53 läuft am heutigen Donnerstag (15. April) ab. Egal wie es ausgeht: Die Mieter*innen wollen am 17. April (11-13 Uhr) am Südstern nochmal auf Ihre Situation aufmerksam machen. Die Mietergemeinschaft der Hasenheide 50 hat auf Twitter zusammengefasst, was eigentlich an der Hasenheide los ist. Hier geht’s zum Thread.
- „Protest der Verdrängten“. Auch 19 Puppen „der Verdrängten“ werden sich am 17. April von 11-15 Uhr in und um die Häuser der Hasenheide 47, 50,52/53 positionieren. Eine Performance als „Mahl der Verdrängten“ gibt es um 13 Uhr.
- Foto: privat
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