Namen & Neues
Obdachlosen-Lager am Bahnhof Lichtenberg aufgelöst
Veröffentlicht am 03.02.2020 von Robert Klages
Nur zwei Tage nach der „Nacht der Solidarität“, in der die Senatsverwaltung obdachlose Menschen zählen ließ, wurde das Lager der Obdachlosen am Bahnhof Lichtenberg aufgelöst. Die Bahn, Eigentümerin des Grundstücks, hatte nur eine Duldung bis Ende Januar ausgesprochen. Ein an der Auflösung des Lagers beteiligter Sozialarbeiter von Karuna e.V. sagte mir, die Obdachlosen hätten sich „aufgrund der Gesamtsituation“ für das neue Angebot in der Köpenicker Allee entschieden. Dort wurde eine Notunterkunft eingerichtet, die nach Problemen und verzweifelter Suche nach einen Träger kürzlich geöffnet hatte. In dieser können die Obdachlosen nur bis Mai bleiben, da es sich um ein Angebot der Kältehilfe handelt.
Busse von Karuna brachten die Obdachlosen vom Bahnhof in die Köpenicker Allee. Zuvor habe es „Gespräche auf Augenhöhe“ gegeben zwischen den Obdachlosen, Karuna, dem Platzmanager Josef Parzinger und dem Betreiber der neuen Notunterkunft. Dies sei „ein Novum für die Arbeit mit Obdachlosen“, so der Karuna-Mitarbeiter. Eigentlich wollte die Bahn schon zum Jahresende räumen lassen, doch der Bezirk und Senat konnten eine Fristverlängerung erwirken.
„Hätten die Sozialarbeiter von Karuna die Obdachlosen nicht weggebracht, hätte die Bahn räumen lassen.“ Das sei Fakt, schrieb mir Alexander Fischer, Staatssekretär für Soziales, auf Twitter. Weiter: „Wir haben getan, was ein Bezirk und eine Sozialverwaltung tun kann: mit der Bahn einen Aufschub ausgehandelt, ein Angebot geschaffen und Karuna hat die Begleitung der Menschen organisiert. Die Alternative wäre eine Räumung gewesen, die wir nicht hätten verhindern können.“
Am Samstag war das ehemalige Camp bereits mit einem Bauzaun abgesperrt. Zahlreiche Sachen der Obdachlosen befinden sich noch dort. (Fotos) Ich traf Romelu und seine Freundin. Sie sind erst kürzlich nach Lichtenberg gezogen und wollten den Obdachlosen Klamotten vorbeibringen. Sechs Obdachlose hatten es sich im Bahnhof gemütlich gemacht und bekamen die Kleidung.
Sie seien geräumt worden, sagten mir die Sechs. Sie hätten eine Nacht in der Notunterkunft geschlafen, wollen dort aber nicht mehr hin. Sie seien „verarscht worden“ – nichts sei dort so wie angekündigt. Die Betten seien viel zu klein und man habe ihnen versprochen, dass sie dort weiche Drogen im Garten konsumieren dürften. Daher seien zehn Leute aus dem Camp am Bahnhof mitgefahren zur Unterkunft, einige seien später nachgekommen, manche wollen dort bleiben.
Klar, sie seien freiwillig mitgegangen, Gewalt sei nicht angewendet worden. Aber vor Ort angekommen, hätten sie gemerkt, verarscht worden zu sein.
Von einer „geordneten Zwangsräumung“ sprach die Berliner Obdachlosenhilfe auf Facebook. „Was hier stattfand, kann bestimmt als verhältnismäßig faire Räumung bezeichnet werden. Die Bewohner*innen wurden zwei Wochen im Vorfeld informiert, es gab keine Polizei und kein Ordnungsamt. Die Menschen wurden zusammen mit ihren wichtigsten Habseligkeiten in eine neue Unterkunft gebracht.“ Aber:
„Es ist, was es ist: Verdrängung und Zwangsräumung“, so die Obdachlosenhilfe. „Keine*r der Bewohner*innen ging freiwillig. Sie mussten ihr Zuhause verlassen, weil Außenstehende es nun mal so wollten.“
„Wo bleibt der Aufschrei? Hieß es nicht noch vor einem Jahr, Räumungen seien keine Lösung?“, twitterte Taylan Kurt von den Grünen in Berlin-Mitte.
Die „Lichtenberger Obdachlosenhilfe“ hat den „Umzug“ begleitet und meint, die Bahn habe die „bestmögliche Variante“ gewählt, schreibt dieser Verein auf Facebook. „Der Umzug war ganz nach dem Motto nicht quatschen sondern machen.“