Kiezgespräch
Veröffentlicht am 08.04.2020 von Madlen Haarbach
Menschen, die sich zu Fuß oder mit dem Rad durch die Stadt bewegen, stehen derzeit oft vor einem Dilemma: Einerseits sind die Straßen häufig leerer, andererseits die Rad- und Fußwege häufig so schmal, dass an ein Abstandhalten kaum zu denken ist. Während die Fußgänger*innenlobby Fuss e.V. rät, im Zweifel einfach auf die Straße auszuweichen (wovon die Polizei wiederum abrät), beschleunigt die Krise in anderen Bezirken die Verkehrswende. In Friedrichshain-Kreuzberg sind bereits mehrere Pop-up-Radwege innerhalb kürzester Zeit entstanden, auch Tempelhof-Schöneberg hat eine entsprechende Initiative angekündigt. Auch die Fahrradlobby rund um ADFC und BUND forderte am Dienstag in einem offenen Brief an Senat und Bezirke mehr Radwege und eine Beschränkung des Autoverkehrs, wie etwa temporäres Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen.
In Neukölln hätten derartige Initiativen bislang keine Priorität, sagte Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) kürzlich im Newsletter-Interview. Ganz schloss er sie aber doch nicht aus. Das Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln hat ebenfalls einen offenen Brief an das Bezirksamt verfasst und fordert temporäre Beschränkungen in der Hermannstraße (wo eh ein geschützter Radweg entstehen soll) und der Sonnenallee. Zur Verbesserung des Aufenthaltes im öffentlichen Raum sollen außerdem verschiedene Straßen für Fußgänger*innen frei gegeben werden, etwa mehrere Straßen rund um Weser- und Richardstraße. Einige Straßen könnten temporär auch ganz für den Autoverkehr gesperrt werden, so der Vorschlag. Die Radaktivist*innen begründen ihre Forderungen auch mit Sicherheitsaspekten: Durch den abgenommenen Verkehr hätten sich die Geschwindigkeiten der Autos im Mittel erhöht und dadurch eben auch die Gefahr für Radfahrer*innen, schreiben sie.
„Im Bezirk Neukölln, in dem die Hälfte der Haushalte über kein Auto verfügen – in Nord-Neukölln ist es vermutlich die Mehrheit, stellt der Radverkehr in diesen Tagen für viele die notwendige Mobilität auf dem Weg zur Arbeit oder zum Lebensmitteleinkauf sicher. Gleichzeitig verfügen nur wenige Haushalte über großzügige Balkone oder private Freiflächen. Daher sind jetzt Maßnahmen für Flächengerechtigkeit und Bewegungsfreiheit für große und kleine Menschen im öffentlichen Raum wichtiger denn je“, heißt es in dem Brief.