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von Christian Hönicke

Veröffentlicht am 29.08.2019

Ein Bündnis gegen „Satellitenstädte“ hat sich im Nordosten Berlins gebildet. Gleich 17 Bürgerinitiativen und Vereine haben sich darin zusammengetan. Sie kommen aus den Pankower Ortsteilen Buch, Karow, Französisch Buchholz und Blankenburg und haben eines gemeinsam: Vor ihrer Haustür soll in großem Stil gebaut werden. Im Norden Pankows sind in den nächsten Jahren bis zu 15.000 neue Wohnungen geplant – unter anderem in Berlins größtem Neubauvorhaben „Blankenburger Süden“.

Die Anwohner wollen das in dieser Dimension verhindern und haben nun ein gemeinsames, dreiseitiges Positionspapier verfasst. Darin werden über 20 Forderungen aufgestellt, unter anderem der vorherige Ausbau der Verkehrs-, sozialen und öffentlichen Infrastruktur, eine „maßvolle Bebauung“ unter Berücksichtigung des vorhandenen Stadtbildes und der Schutz der Grünflächen.

Die Initiative wurde von zwei Pankower CDU-Politikern angeschoben. Neben Dirk Stettner ist daran maßgeblich der Pankower CDU-Fraktionsvorsitzende Johannes Kraft beteiligt, der selbst in Karow lebt. Er habe bei Gesprächen festgestellt, dass die meisten Nachbarn „nur auf sich geschaut haben. Aber die Einstellung ‚Bei uns nicht bauen, woanders gerne‘, ist ein Problem.“ Die benachbarten Ortsteile könnten so „gegeneinander ausgespielt werden, von Verwaltung und Politik – und das ist auch passiert. Dabei hängen die Gebiete miteinander zusammen und haben ähnliche Problemstellungen. Deswegen wollte ich sie zusammenbringen.“

Kraft und Stettner schrieben die Vereine und Verbände im Juni an und ernteten Zuspruchnun wurde das Positionspapier beschlossen. Besonders groß ist der Forderungskatalog in Sachen Verkehr. Um „das aktuelle und künftige Verkehrsaufkommen bewältigen zu können“, sollen folgende Maßnahmen umgesetzt werden:

  • ein 10‐Minuten‐Takt der S2 nach Bernau
  • eine Verlängerung der S75 von Wartenberg über Malchow zu den Bahnhöfen Sellheimbrücke, Bucher Straße, Arkenberge, Mühlenbeck‐/ Mönchmühle bis nach Birkenwerder
  • ein Regionalbahnhof in Buch
  • ein Autobahnanschluss für Karow und Buch an der Überführung der Karower bzw. Bucher Chaussee
  • einen zweiten Schienenanschluss für Blankenburg und Karow (z.B. durch eine neue U-Bahn über Weißensee bzw. die Verlängerung der U2 von Pankow über Blankenburg nach Karow und Buch)
  • der Verzicht auf die Tangentialverbindung Nord (TVN) zwischen der Dorfstraße Malchow und dem Autobahn-Anschluss Pasewalker Straße ab, da dies ohne Enteignungen nicht möglich sei
  • der Verzicht auf eine Verbindungsstraße zwischen Karow und der B2

Kraft warnt davor, die Planungsfehler der 90er-Jahre zu wiederholen, als große Neuviertel in Karow und Buchholz entstanden. „Die Vorgehensweise ist so wie damals: Man plant erst einmal irgendetwas vermeintlich Großes mit beeindruckenden Zielzahlen und will die Verkehrsproblematik später lösen“, sagt er. Die Versprechen seien aber nicht gehalten worden.

Die geplante Erschließung der neuen Quartiere durch Busse und Straßenbahnen sei nicht ausreichend – die würden jetzt schon im Dauerstau feststecken. „Wie soll das denn laufen, wenn nun noch zigtausende neue Anwohner dazukommen?“, fragt Kraft. „Wir reden hier über freie Felder ohne jede verkehrliche Erschließung.“ Es gebe dazu bisher kein tragfähiges Konzept. Das fordert das Netzwerk nun, und Kraft insistiert: „Erst muss die Infrastruktur da sein.“

Eine Kontroverse mit der neubauaffinen Landespartei will der CDU-Politiker da nicht erkennen: „Wir wissen, dass gebaut werden muss, auch in Karow, Blankenburg, Buch oder Buchholz.“ Das Netzwerk fordert mit Rücksicht auf die dörfliche Struktur im Nordosten eine niedrige und lockere Bebauung. Darüber rede er seit Monaten auch intensiv mit der CDU-Landesebene, sagt Kraft.

Gar nicht bebaut werden sollen nach dem Willen des Netzwerks die großräumigen  Landschaftsschutzgebiete in Pankow, wie es die SPD-nahe Initiative „Bürgerstadt Buch“ unlängst zumindest in Teilen forderte. Auch die landwirtschaftlich genutzte Elisabeth‐Aue und Kleingarten‐ und Erholungsanlagen will das Netzwerk „im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik“ dauerhaft von einer Bebauung ausschließen.

Weiter verdichten will das Netzwerk dafür die Citylagen. „Es gibt in Pankow innerstädtisch perfekt erschlossene Gebiete: das Pankower Tor, den Güterbahnhof Greifswalder Straße, die Michelangelostraße“, sagt Kraft. „Bevor diese Potenziale nicht realisiert werden, ist es irrsinnig, Satellitenstädte am Stadtrand zu bauen.“

Dass auch die Anwohner der Greifswalder oder Michelangelostraße sich dagegen wehren, Grünflächen, Freiräume und Parkplätze zu verlieren, sei „persönlich nachvollziehbar“, sagt Kraft. „Aber wenn ich mitten in der Stadt lebe, mit Bahn-Anschluss und guter Infrastruktur, und vor meiner Tür sind noch große Freiflächen – da muss ich doch damit rechnen, dass die irgendwann bebaut werden.“

Zu den Unterstützern des Positionspapiers gehört auch der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN), in dem Kraft ebenfalls Mitglied ist. Natürlich schaffe nur der Bau von Wohnungen Abhilfe gegen die Verknappung, so VDGN-Vizepräsident Peter Ohm. „Dabei müssen aber die Bedürfnisse der in Pankow lebenden Menschen und der Charakter der bestehenden Siedlungsgebiete berücksichtigt werden.“ Man sei sogar bereit, „maßvolle Bebauung, Ausbau der Infrastruktur und Erhalt des Grüns notfalls einzuklagen“.

Maximal zwei Vollgeschosse sollten die Neubauten laut Ohm haben. Das steht in Widerspruch etwa zu den Zielen der Bezirks-Grünen und ihres Baustadtrats Vollrad Kuhn, die aus Gründen des „flächensparenden Bauens“ künftig überall in Pankow grundsätzlich mindestens drei Geschosse bauen lassen wollen.– Text: Christian Hönicke
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Diesen Text haben wir als Leseprobe dem neuen Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Pankow entnommen. Den – kompletten – Pankow-Newsletter gibt’s unkompliziert und kostenlos hier leute.tagesspiegel.de.