Nachbarschaft

Veröffentlicht am 11.02.2021 von Christian Hönicke

Rosemarie Skupin-Peetz arbeitet gemeinsam mit ihrem Mann Klaus-Peter Peetz in der Suppenküche des Franziskaner-Klosters. Skupin-Peetz stammt aus der Nähe von Halle an der Saale, aber heimisch ist sie seit Jahrzehnten in Prenzlauer Berg. 29 Jahre lang fuhr sie mit dem Motorroller oder mit der Bahn in die Wollankstraße. Am 21. Februar ist ihr letzter Arbeitstag in der Suppenküche.

Frau Skupin-Peetz, fühlen Sie sich als echte Pankower Institution? (Lacht) Ja, nach so vielen Jahren kann ich das schon von mir behaupten. Ich war 29 Jahre Köchin in der Suppenküche. Am 21. Februar ist jetzt mein letzter Arbeitstag. [Der Text stammt aus dem aktuellen Pankow-Newsletter. Den können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Die große Abschiedsfeier fällt vermutlich wegen Corona aus. Nein, die ist nur verschoben. Sie findet im Juni draußen im Klostergarten statt. Hoffentlich sind dann wieder schöne Feiern möglich.

Freuen Sie sich oder sind Sie wehmütig? Lachendes und weinendes Auge. Ich freue mich, dass ich nicht mehr um kurz nach 5 aufstehen muss. Wir fangen um halb 7 an, da bin ich dann um kurz nach 6 auf Arbeit – wir wollen ja noch einen Kaffee trinken und ein bisschen quatschen. Das ist sehr familiär hier. Inzwischen brauche ich doch ein paar längere Erholungsphasen. Mal ausschlafen, darauf freue ich mich. Ob mir irgendwann die Decke auf den Kopf fällt, kann ich noch nicht einschätzen. Aber ich habe ein bisschen was vor. Ich habe einen Kleingarten, Kinder, Enkel, Hobbys, ich lese viel und male. Und ich habe ja noch einen Ehemann. Der ist mein zweiter Koch.

Haben Sie sich in der Suppenküche kennengelernt? Ja. Er ist auch schon seit 20 Jahren hier. Aber er hat sich eine etwas ältere Dame gesucht und muss noch neun Jahre bis zur Rente arbeiten (lacht). Der bleibt also noch ein bisschen und wird mein Werk weiterführen.

Erinnern Sie sich noch, wie Sie Ihr Werk in der Suppenküche begonnen haben? Ich habe am 1. Juni 1992 hier angefangen. Ich bin ausgebildete Köchin und Küchenmeisterin, vorher habe ich in Kantinen und Kitas gearbeitet. Ich war eine Woche arbeitslos und bin über eine ABM-Stelle in der Suppenküche gelandet.

Von der Kita ins Kloster – sind Sie kirchlich? Ich bin getauft, aber vor vielen, vielen Jahren als junges Mädel aus der Kirche ausgetreten. In der Suppenküche ist eine Konfession keine Bedingung, deshalb ist es dabei geblieben. Wir müssen auch nicht zur Messe gehen oder so. Aber natürlich ist der kirchliche Gedanke bei mir schon noch irgendwo vorhanden.

Ist Küche denn gleich Küche oder unterscheidet sich die Suppenküche von einer normalen Kantine? Das ist hier schon eine andere Herausforderung. Das Spannende ist, dass wir keinen festgelegten Speiseplan haben – die Zubereitung hängt von den Spenden ab. Wir holen ja jeden Tag Lebensmittel von verschiedenen Einrichtungen und Supermärkten. Wir kaufen dann noch Gemüse dazu und entscheiden dann am Vortag anhand der Zutaten, welchen Eintopf wir genau kochen. Das macht mir viel Spaß. Außerdem gibt es hier keine Preisvorgaben wie bei Kitas oder wirtschaftlichen Druck wie in Kantinen. Man kann wirklich frei arbeiten.

Und wie nutzen Sie diese Freiheit? Ich koche nicht nach Kochbuch, auch nicht wie ich es gelernt habe. Sondern eher wie bei Mama, klassische Hausmannskost. Das kommt bei unseren Gästen am besten an. In der Regel Eintöpfe, an den Feiertagen gibt es festes Essen. Gulasch mit Klößen oder Bratwurst.

Haben Sie ein Lieblingsessen? Ich esse kein Mittag, ich bin generell keine Mittagesserin. Ich frühstücke Stulle, zwischendurch koste ich das Essen hier, das reicht mir. Vom vielen Essen wird man so müde, dann kann man nicht mehr richtig arbeiten. Das ist ja ein sehr körperlich anstrengender Job.

Haben Sie persönliche Verbindungen zu den Gästen? Privat nicht, das trenne ich. Aber viele Gäste sind fast schon so lange hier wie ich auch, da kennt man sich schon näher. Wir reden miteinander, meistens mit den Frauen, tauschen Tipps aus oder besprechen Probleme.

Mussten Sie sich daran gewöhnen, für eine karitative Einrichtung zu arbeiten? Ja, das hat sich schon entwickelt seit ich hier angekommen bin, aus dem normalen weltlichen Leben. Die Schwester Monika hat die Suppenküche 1991 eröffnet und mich sehr geprägt in vielen Einstellungen. Nicht dass ich vorher unsozial war, das nicht. Aber man nimmt vieles anders wahr, wenn man hier arbeitet. Natürlich braucht man Geld zum Leben, aber viele Dinge sind plötzlich nicht mehr so wichtig, man senkt seine Ansprüche. Auch viele unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter sind Rentner oder leben von Hartz IV und haben nicht viel. Da merkt man erstmal, was man selbst alles gar nicht braucht. Das hat mich schon verändert.

Sie sind durch Ihren Job also genügsamer geworden? Auf jeden Fall. Das merken viele andere jetzt in der Pandemie. Es relativiert sich vieles – man merkt, was wirklich wichtig ist und was nicht. Ich hatte das schon vorher. / Foto: promo – Text: Christian Hönicke

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