Kiezgespräch
Veröffentlicht am 27.03.2019 von Gerd Appenzeller
Die gefällten Bäume im KaBoZ. Sehr viele Leserinnen und Leser des Newsletters für Berlin-Reinickendorf haben auf die Berichterstattung über die massiven Baumabholzungen auf dem Gelände der früheren Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik reagiert. Vor allem die Tatsache, dass dies im Behördendeutsch als „Waldumwandlung“ bezeichnet wurde, ist durchaus als Skandal empfunden worden.
Eine ganz andere Sicht ist die von Sascha Langenbach. Er ist Pressesprecher des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten, des LAF. Er schreibt: „Niemand, auch im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten nicht, freut sich, wenn schöne Bäume gefällt werden. Wenn es denn gleich 40 an der Zahl sind, ist es umso bedauerlicher. Nach Berlin kommen derzeit knapp 1000 Geflüchtete im Monat, von denen rund 600 hier ins Asylverfahren gehen. Mittlerweile sind sogar Antragsteller aus Venezuela und El Salvador darunter, aus Birma und Brasilien… Wir sind nicht nur per Gesetz verpflichtet, diese Menschen zu betreuen, die allermeisten bei uns versehen ihre Arbeit aus Überzeugung. Das ist manchmal gar nicht so einfach, denn Menschen in Ausnahmesituationen – und das sind Geflüchtete, die ihre Heimat unter Zwang verlassen mussten – reagieren anders als Menschen in normalen Situationen. Wir betreuen aktuell 22.000 Menschen in knapp 100 Unterkünften in Berlin. Und wir werden noch mehr brauchen, um die Versorgung mit Wohnraum gewährleisten zu können. Im Vorfeld solcher Aktivitäten informieren wir die Bürgerinnen und Bürger darüber, die Veranstaltungen sind gut besucht. Aber noch nie hat zwischen Marzahn und Spandau jemand zu uns gesagt: „Toll, dass Sie sich um die Menschen kümmern, eine vernünftige, saubere Unterkunft ist ja auch das Mindeste, was wir anbieten müssen, schon weil es kaum noch Sozialwohnungen gibt.“ Mit unschöner Regelmäßigkeit ist das Gegenteil der Fall, in vielen Facetten und Varianten wird das Prinzip „not in my backyard“ überall vertreten. Ihren Furor über den „Baumfrevel“ kann ich insofern nur zum Teil verstehen, da die Verhältnismäßigkeit angesichts der Bemühungen um eine gute medizinische, soziale und Leistungen gewährende Versorgung der mehreren tausend Geflüchteten jährlich im neuen Ankunftszentrum Reinickendorf mit keiner Silbe erwähnt wird. Sie fragen sich dazu selbst, warum es keinen alternativen Bauplatz gegeben haben soll in Berlin. Ich kann Ihnen gerne Auskunft über die intensiven – das ist fast untertrieben, versichere ich Ihnen! – Bemühungen meiner Kollegen im Amt geben, die seit geraumer Zeit versuchen, Alternativen zum Ankommen im Hangar zu eruieren. Boden in Berlin ist eine äußerst knappe Ressource, dessen muss man sich bewusst werden.“
PS: Tatsächlich galt mein Unverständnis natürlich nicht der Tatsache, dass für die Flüchtlinge und für ein Ankunftszentrum Raum geschaffen werden muss. In einem früheren Newsletter hatte ich darauf hingewiesen, dass Reinickendorf im Vergleich zu den meisten anderen Berliner Bezirken eher wenig Flüchtlinge unterbringen musste. Ich bezweifele aber, dass es in Berlin kein ähnlich großes Grundstück in Landesbesitz gibt, auf dem man das Zentrum hätte bauen können, ohne zahlreiche alte Laubbäume zu fällen. – Gerd Appenzeller
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Diesen Text haben wir dem neuen Reinickendorf-Newsletter vom Tagesspiegel entnommen. Den Reinickendorf-Newsletter von Gerd Appenzeller können Sie kostenlos bestellen unter https://leute.tagesspiegel.de