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Lärm auf der Havel: 1000 Unterschriften, Polizeichefin traf Leser

Veröffentlicht am 04.01.2021 von André Görke

Lärm auf der Havel: 1000 Unterschriften, Polizeichefin traf Leser. Der Ärger um Krach und Raserei auf der Havel erreicht eine neue Dimension. Jetzt mischt auch Berlins Polizeichefin Barbara Slowik in der Debatte mit, aber der Reihe nach. Alles begann im Juli 2020. Bei einer Radtour über die Rieselfelder, drei Kilometer vom Havelufer entfernt, hörte ich Technobässe. Ich fuhr dem Krach neugierig entgegen und sah Partyboote auf der Havel. Ich sprach Anwohner am Ufer an und stieß in ein Wespennest: Unendlich viele Leserbriefe trafen bei mir ein („Nicht mehr auszuhalten“ – „Wie an der Autobahn“ – „keine Polizei, keine Kontrollen – „Lärm bis in die Nacht“). Hier eine Auswahl der Leserbriefe.

Die BVV blieb irritierend stumm. Klartext redeten lieber andere in Spandau: Wasserschutzpolizei, Pfarrer, Sportvereine, Nachbarn. Innensenator Andreas Geisel, SPD, meldete sich im Newsletter zu Wort. Swen Schulz, SPD, hob das Thema auf die Agenda der Bundespolitik. Sogar Verkehrsminister Andreas Scheuer, CSU, klemmte sich dahinter. Und die Leser Max Weithmann und Lothar Staeck aus Hohengatow sammelten Unterschriften.

„Ich fiel fast vom Glauben ab, als ich die Unterschriftenlisten sah!“, erzählte mir jetzt Peter Trapp. Der Mann ist CDU-Politiker und Chef des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus. „1000 Bürgerinnen und Bürger haben unterschrieben, alle korrekt mit Adresse. Das zeigt, wie ernst sie das Anliegen meinen. Ich las die vielen Briefe, die Aussagen der Wasserschutzpolizei und der Sportvereine. Ich kenne die Bürgerbeschwerden auch aus früheren Sommern, aber was in diesem Sommer geschah, war eine ganz andere Nummer.“ Leser Max Weithmann, das nur am Rande, engagiert sich sehr in Spandau („Ich bin im Willkommensbündnis Gatow-Kladow, im Stadtteilzentrum, in der Stadtteilkonferenz und in den Repaircafés Adamstraße und Kladower Forum aktiv“).

„Wir werden als Slalompfosten von Rennbooten benutzt“, erzählten Wassersportler dem CDU-Politiker Peter Trapp. Boote wurden gerammt, Wellenschlag bringt Sportler in Not, es gibt Krach rund um die Uhr. Trapp nahm Kontakt auf mit dem Innensenator und bat um Infos für die Bürger. Infos bekam er nicht – sondern prompt einen Termin bei der Polizeipräsidentin persönlich. Trapp war über 30 Jahre Polizist, Fahnder in Ruhleben bis 1989, er ist also bestens vernetzt.

„Mit der Polizeipräsidentin und dem Innensenator haben wir über erste Maßnahmen gesprochen. Wir brauchen mehr Personal, Radargeräte und schnellere Polizeiboote zur Verfolgung.“ Aber: „Das kostet Geld, und Geld gibt es im Haushalt nur, wenn Politik und Polizei auch wissen, dass es ein Problem gibt.“ Seine Appell: „Deshalb sind Anzeigen der Bürger wichtig.“ Keiner will einen Friedhof auf der Havel, aber es muss ja nicht gleich eine wochenlange Kirmes sein.

Sogar die Hubschrauberstaffel der Berliner Polizei war beim Treffen im Polizeipräsidium im Dezember dabei. Im Protokoll, das mir vorliegt und von Trapp bestätigt wurde, ist die Rede von Verfolgungsjagden und altmodischem Polizei-Equipment. Hier Auszüge:

  • „Die 1000 Bürger bringen ihr Unverständnis über die bisherige Untätigkeit von Politik und Polizei zum Ausdruck.“
  • „Deutliche Anhaltesignale der Wasserschutzpolizei wurden ignoriert.“
  • „Es mussten Verfolgungen zur Vermeidung möglicher gefahrenträchtiger Situationen abgebrochen werden.“
  • „Allein mit der Präsenz der alten, langsamen Polizeistreifenboote ist gegenwärtig das Problem nicht in den Griff zu bekommen.“
  • „Geschwindigkeitskontrollen auf dem Wasser wurden 2020 intensiviert, weil festgestellte Raser von Land aus mit der verfügbaren Lasertechnik aufgrund der stromlinienförmigen Konturen der Bootskörper und den für die Messung kaum vorhandenen Reflexionsflächen nicht beweiskräftig belangt werden konnten.“
  • „Eine Messung der Lärmemissionen ist der Wasserschutzpolizei mangels geeichter Messgeräte nicht möglich.“

Und das sind 5 konkrete Ziele für 2021. 1.) Ein schnelleres Polizeiboot. 2.) Mehr Raserkontrollen, auch mit Videogeräten. 3.) Die Bezirke sollen mit ins Boot geholt werden, damit man gemeinsam gegen Krach und Raserei vorgehen kann („beispielsweise mit Messgeräten am Ufer“). 4.) Bürger sollen sich melden, um ein besseres Lagebild zu erhalten. 5.) Und das Lärmthema soll deutschlandweit auf die Agenda – beim Treffen aller Wasserschutzpolizeien im Februar 2021 in Bonn, wo rechtliche Änderungen auf Bundesebene angeregt werden. – Gut, wenn Bürgerinteressen so viel Gehör geschenkt wird, oder?
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