Kiezgespräch

Veröffentlicht am 11.09.2018 von André Görke

10 Monate steht ein Auto im Halteverbot – ohne dass was passiert. Publik wurde die Posse durch Thorsten Schatz, CDU, und damit hier im Spandau-Newsletter. Kurios: Zwischendurch verschwand nicht etwa das Auto, sondern das Schild. Seit Montag ist das Schild wieder da. Seit Montag: Hat das Auto einen gelben Punkt auf der Scheibe. Seit Montag: liegt die Antwort vor von Stadtrat Stephan Machulik, SPD, auf Schatz‘ Fragenkatalog. Inhalt: „Wir als Ordnungsamt wissen erst seit 23.06.2018 davon.“ – „keine Verkehrsbehinderung, also keine Entfernung, aber Ordnungswidrigkeitsanzeigen“ – „Für das Fahrzeug liegt kein Fahndungshinweis der Polizei vor.“ Es bleibt mysteriös. Wir fragen nach – ein Gespräch über zu viele Aufgaben, zu wenig Personal und eine Idee, von der auch die Berliner Polizei profitieren könnte. – Aus dem Spandau-Newsletter von André Görke.

Herr Machulik, Sie sind Stadtrat in Spandau, zuständig fürs Ordnungsamt. Wenn ein Bürger ein Sofa auf der Straße sieht …
… ruft er das Ordnungsamt.

Wenn der Nachbar zu laut ist …
… ruft er das Ordnungsamt.

Und wenn ein Auto im Halteverbot steht…
… ruft er das Ordnungsamt, Sie kennen die alte Regel? Das Ordnungsamt ist erst zuständig und hinterher schuld.

Herr Machulik, konkret geht es um das Auto, das seit Monaten im eingeschränkten Halteverbot in Kladow parkt – nachzulesen letzte Woche hier im Spandau-Newsletter. Das Fahrzeug kommt von der Ostsee, die Strafzettel weht der Wind weg. Jetzt war das Halteverbotsschild verschwunden, aber das Auto steht weiter rum. Eine Lachnummer.
Der Halter hat ordentlich was auf der Uhr, glauben Sie mir. Der kriegt von uns Strafzettel, Tag für Tag, jeden Monat. Ich weiß nicht, wer oder was dahinter steckt. Keine Ahnung, ob wir jemals das Bußgeld sehen, ich empfehle lieber, dem Halter die Zuverlässigkeit zum Fahren eines Autos abzusprechen …

… also Führerscheinentzug …
… genau, mir geht es nicht ums Geld, mich ärgert es, weil mich ja Bürger zurecht fragen: Lasst ihr euch eigentlich auf der Nase rumtanzen? Aber: Das Ordnungsamt muss die Verhältnismäßigkeit bewahren. Er parkt nicht auf dem Radweg, er ist keine Gefahr für Dritte. Nach dem gelben Punkt übernimmt das Amt für regionalisierte Ordnungsaufgaben aus Lichtenberg – und erst die dürfen den roten Punkt draufmachen. Heißt: Frühestens nach sechs Wochen wird abgeschleppt, im Idealfall! Das würden wir als Bezirk gerne selbst machen, aber ich habe in Spandau weder Abschleppwagen, noch einen Hof für solche Autos. Schauen Sie mal nach München – wenn sie als Falschparker dort abgeschleppt werden, dürfen Sie im Erdinger Moos ihr Auto abholen. Da parken Sie nie wieder falsch nach so einer Reise zum Stadtrand. Früher blinkte der ganze Askanierring gelb, wenn wir mit den Abschleppwagen zum Weihnachtsmarkt vorgefahren sind – danach hat da keiner mehr falsch geparkt! Aber heute? Unter Thomas Heilmann und Frank Henkel

… seinerzeit CDU-Senatoren …
… ging es viele Jahre viel zu viel um den Bello-Dialog. Sorry, aber da draußen liegen Sofas auf der Straße, Schrott im Wald, da draußen geht es um Autowracks und um Sachbeschädigungen. Dafür haben wir ganze neun Außendienstarbeiter pro Schicht im Einsatz. Und die sollen sich um Hundekot kümmern?

Neun Leute für ganz Spandau? Für 240.000 Einwohner, für 20 Kilometern von Nord nach Süd?
Neun. Und zwei kontrollieren die Parkzettel in der Altstadt.

Dann stellen Sie mehr ein.
Es passiert ja endlich etwas. Es geht aber nicht nur um mehr Personal, sondern auch um komplizierte Abläufe und absurde Gesetze. Ich erzähle Ihnen mal was: Wenn das Ordnungsamt mitten in der Altstadt Autofahrer sieht, die bequem in der Fußgängerzone parken, um dort Geld abzuholen, dann können wir nur Strafzettel schreiben, wenn das Auto steht – nicht fährt. Das wäre Polizeiaufgabe. Ist das nicht absurd? Ach, und Fahrradfahrer sollen die Mitarbeiter auch stoppen, Zigarettenstummelwegwerfer sanktionieren – kostet nämlich 35 Euro – und bei Schwerpunkteinsätzen die Rieselfelder auf unangeleinte Hunde kontrollieren. Bisschen viel für neun Leute, meinen Sie nicht?

Ihre Forderung?
Wir als Ordnungsamt brauchen Unterstützung – bei uns im Rathaus, aber auch von der großen Politik. Wir brauchen Personal. Zehn Stellen können wir jetzt neu besetzen, besser wäre eine Verzehnfachung. Aber Innensenator Andreas Geisel hat ein offenes Ohr für Ideen. Meine ist: Wir sind der Durchlauferhitzer für die Berliner Polizei. Beim Ordnungsamt lernt man das kleine ABC: Verlässlichkeit, Seriosität, die Gesetze und Paragraphen, aber auch Bürgerkontakt und Deeskalationsverhalten.  Ordnungsamtmitarbeiter sind keine Marionetten, die müssen selbst Entscheidungen treffen. Ich will, dass sie gesund nach Hause kommen, deshalb tragen sie auch Schutzwesten – wobei in Gegenden wie Gatow oder Kladow ein Anwalt besser wäre, aber das ist eine andere Geschichte. Und wer das alles kann und sich bewährt, kann zur Berliner Polizei aufrücken. Wir als Bezirk gewinnen wichtiges Personal. Und die Polizei muss bei der Ausbildung nicht bei Null anfangen.

Sie haben gesagt: Das Ordnungsamt ist erst zuständig und hinterher schuld. Kennen Sie noch so eine Regel?
Oh ja, das Ordnungsamt kommt freundlich, aber leider nie in Freundschaft. Und wir rufen nie: „Gut eingeparkt“.