Kiezgespräch
Veröffentlicht am 04.12.2023 von André Görke
Spandaus wilde Eisbahnen. Bleiben wir in Winterlaune, kurven wir in die Vergangenheit – auf Schlittschuhen. Letzte Woche berichtete ich hier über die Probleme mit der neuen Schule am Fehrbelliner Tor. Zur Orientierung schrieb ich, dass es um jene Unkrautwiese geht, auf der von 2002 bis 2012 Spandaus einzige Eisbahn stand. Prompt erinnerte sich Leserin Manuela Hübner an eine andere Eisbahn, die vor 50 Jahren gleich nebenan stand.
„In meiner Kindheit“, erzählte Hübner, „sind wir täglich im Winter zur Eisbahn am Vereinshaus des Turn- und Sportvereins 1860 am Grüngürtel gelaufen, um in die Schlittschuhe zu steigen. Nach 1-2 Stunden auf der Eisbahn mussten alle eine Pause einlegen und es wurde neues Wasser auf die Eisfläche gesprengt, damit nach 30 Minuten weitergelaufen werden konnte – gefroren durch die kalte Luft. Das ging damals noch. Das ist über 50 Jahre her.“

Schlittschuhbahn in der Zitadelle – und auf den Arcaden? Letztes Jahr gab’s auch eine synthetische Schlittschuhbahn in der Zitadelle (Foto), aber die stand nur ein paar Wochen und nicht Monate. Spandaus Weihnachtsmarktchef Sven-Uwe Dettmann hatte im Newsletter mal die hübsche Utopie geäußert, diese Eisbahn auf dem obersten Parkdeck der Arcaden aufzubauen. „Wäre doch eine super Weihnachtskulisse mit Blick auf den Rathausturm“, so Dettmann. Am Ende blieb’s bei der Idee.
Knutschen und rumkurven. Aber zurück zu den Eispartys am Fehrbelliner Tor, wo zehn Jahre gejohlt, gekurvt und geknutscht wurde. Die Eisbahn war vom 1. Oktober bis Ende März geöffnet, samstags sogar bis 22 Uhr – mit Disko („Music on Ice“), Lichtshow, Eishockey, Kindergeburtstagen und das alles auf 1800 Quadratmetern. Nebenan stand wohl eine separate Eisstockbahn (Foto) und eine „Schneehütte“ am Hohenzollernring 64, mit Pils und Plauderei. Der Firma gehörten noch zwei weitere Eisbahnen in Lankwitz und Babelsberg.
Spandauer SV und Spaki kickten hier. Das Grundstück hat sowieso eine faszinierend sportliche Geschichte. Von 1959 bis 2002 wurde dort gekickt. Aber nicht auf einem Rasenplatz, sondern auf Schotter, erzählte mir Leser Gerhard Liedtke. „Danach wuchsen dann die ersten Bäume und wilden Sträucher durch die Schotterdecke. Die Natur holt sich eben alles zurück …“ Genutzt wurde der Platz von zwei bekannten Fußballvereinen.
„Dort war eine der größten Jugendabteilung des alten West-Berlins zu Hause: die des Spandauer SV“, hat sich Leser Stephan Swiatek mal erinnert. „Am Platz gab’s eine Holzbaracke mit Ofen für die kalten Tage. Erst so um 1977 gab es einen Neubau der Umkleidekabinen und wir konnten nun nach dem Training oder nach dem Spiel auch duschen …“ Auch die Spandauer Kickers um Jürgen Pufahl (650 Sportler) hatten hier ihre Anfänge, ehe sie in den 90ern raus nach Staaken zogen.
Wer heute eine Eisbahn – also eine richtige! – nutzen will, muss beispielsweise zur Glockenturmstraße nebenan in Westend fahren (3,30 Euro, Kids 1,60 Euro). Allerdings sind die Zeiten so lala: Montag bis Donnerstag bis 16.30 Uhr, Freitag bis 11.30 Uhr, am Wochenende gar nicht. Bis zum Abend hat hingegen die Eisbahn in Wilmersdorf geöffnet, wobei das aus Spandau ein gutes Stück entfernt ist.
Natürlich gab’s auch wilde Eisbahnen auf zugefrorenen Seen, ob Havel, Glienicker See oder Falkenseer Angerteich (Foto), aber das ist ein anderes Thema und wäre angesichts des nahenden Tauwetters sowieso ein gemeiner Tipp.
Eine neue Eisbahn war sogar mal Thema im Rathaus – ist gar nicht so lange her: FDP-Fraktionschef Matthias Unger hatte sich 2020 mal im Rathaus nach Plänen erkundigt („Seit der Pachtvertrag für die alte Eisbahn abgelaufen ist, fehlt Spandau ein winterliches Freizeitangebot.“). Nichts in Sicht, entgegnete damals Sportstadtrat Helmut Kleebank, SPD. „Die vorhandenen freien Flächen sind für die soziale Infrastruktur, wie zum Beispiel für den Bau von Schulen erforderlich.“ Und damit schließt sich der Kreis und wir sind wieder bei der neuen Schule am Fehrbelliner Tor angelangt.