André Görkes Tipp für Sie
Veröffentlicht am 15.01.2019
Lust auf frische Luft am Wochenende? Spazieren Sie doch mal über den geheimnisvollen Wall rund um die Zitadelle. Jetzt ist der Blick noch interessanter, weil die Bäume so kahl sind. Menschen? Fehlanzeige – na gut, außer ein paar Spandau-Newsletter-Lesern. Hier gibt’s sonst nur die Schleuse, Kähne und Biber im Zitadellengraben. Dieser schmale Trampelpfad, der vom versteckten Tennisplatz der Wasserfreunde hinter der Zitadelle (Foto) bis zur Freilichtbühne führt (wird 2020 umgebaut), bekommt im Frühjahr 2019 einen neuen Namen: Er erinnert an den russischen Soldaten Wladimir Gall. „Festakt mit geladenen Gästen ist am 20. Januar“, schreibt uns das Büro von Kulturstadtrat Gerhard Hanke, CDU.
Wladimir Gall stand am 1. Mai 1945 mit anderen Soldaten vor dem verschlossenen Tor der Zitadelle, in der Hand eine weiße Fahne, während von oben die Mündungen von Maschinengewehren und Karabinern auf sie gerichtet waren. Die beiden Russen sollten die Besatzung der Zitadelle (SS, Wehrmacht, aber auch viele Zivilisten mit Kindern) zur Übergabe bewegen – sie kletterten schließlich hinein, erklärten die Lage, und am Ende konnte das Blutvergießen verhindert werden. Die Deutschen kapitulierten kampflos. Wladimir Gall starb 2011 – hier finden Sie den Tagesspiegel-Nachruf meines Kollegen Andreas Conrad. An den Soldaten erinnert eine Plakette an der Zitadelle.
Eigentlich sollte der Kopfsteinpflasterweg von der Hauptstraße zur Festung nach ihm benannt werden, aber da kabbelten sich zum Schluss alle leidenschaftlich von AfD bis Linke, von CDU bis SPD. Und weil Straßen ja nach Frauen benannt werden sollen, Anwohnerklagen zu vermeiden waren, der 100. Geburtstag Galls aber immer näher rückte, einigte sich die Bezirkspolitik um Kulturchef Gerhard Hanke, CDU, auf einen Kompromiss: Der Spazierweg um die Festung erhält jetzt die typisch grünen Straßenschilder, auf denen der Name Wladimir Galls steht. Büro Hanke: „Der Weg reicht von der Freilichtbühne um die Zitadelle herum bis zum Gelände der Wasserfreunde Spandau – alles Spandauer Institutionen.“ – Die Zitadelle in Bildern: tagesspiegel.de
Film erinnert an Wladimir Gall. Die Linke um Lars Leschewitz und Helin Evrim Sommer erinnert bereits am Sonnabend, 19. Januar, an den russischen Soldaten – mit einem Filmnachmittag im Kulturhaus Spandau (Altstadt, 16 Uhr, Mauerstraße 6). Gezeigt wird der Spielfilm „Ich war 19“ von Konrad Wolf. Dieser setzte im Film „auch seinem Freund und vorgesetzten Offizier Wladimir Gall ein Denkmal“. Leschewitz: „Besonders freut uns, dass die Enkelin und der Urenkel von Wladimir Gall an beiden teilnehmen werden.“ Anschließend ist eine Gesprächsrunde geplant, auch mit Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase und Wladimir Kotenjow, ehemaliger russischer Botschafter in Berlin. Der Eintritt ist frei. – Autor: André Görke
Der Text stammt aus dem neuen Spandau-Newsletter des Tagesspiegel – den können Sie kostenlos und komplett lesen unter leute.tagesspiegel.de. Ich freue mich auf Sie.