Nachbarschaft
Veröffentlicht am 12.03.2019 von André Görke
Hagen Stamm, 58, Chef der Wasserfreunde Spandau – und Wasserball-Legende.
Herr Stamm, erinnern Sie sich noch an die Spiele der Wasserballer in Spandau? Bis 1994 traten sie im Schwimmbad an der Gatower Straße an. „Klar. Die Leute standen in Fünferreihen ums Außenbecken. Wer clever war, brachte einen Campingstuhl mit. Es gab keine Tribünen, dafür Bier und Bratwurst am Schwimmbecken – eine irre Atmosphäre war das! Das ging zu wie bei Laubenpiepern. Und wissen Sie was: Das Außenschwimmbecken war nur 1,90 Meter tief – da konnte man sich abstoßen, richtig aus dem Wasser springen. Das waren Spiele, unvergesslich!“
Seit den 90ern spielen die Wasserballer in Schöneberg. 2022 soll die neue Wasserball-Arena in Spandau fertig sein. „Darauf hoffen wir alle. Auf eine kleine, enge Halle mit vier Tribünen wie bei einem Tenniscourt – die Gatower Straße könnte ein Hexenkessel sein. Das wäre eine ganz andere Wasserball-Kultur. Ich glaube an Lokalkolorit, ich glaube daran, dass wir mehr Fans haben, wenn wir in Spandau spielen, 1000 statt 500. Ich glaube, dass wir die Wirtschaft begeistern, den Fleischer und den berühmten Eismann aus Spandau. Wir könnten dort Länderspiele austragen, so was hat Berlin ja gar nicht. Ganz Europa kennt uns unter dem Namen ‚Spandau‘ … die wissen gar nicht, dass Spandau zu Berlin gehört.“
Sie sind schon ordentlich in Umzugsstimmung. „Hoffnungsvoll bin ich, ja, aber auch vorsichtig. Wir haben alle das Trauma von unseren Millionen-Plänen an der Oberhavel im Kopf. Da haben wir uns in den 80-ern kurz vor der Grenzöffnung verhoben – wir wären fast im Ruin gelandet. Zum Glück haben wir es geschafft. Aber seitdem träumen wir von einer Halle und der Rückkehr nach Spandau. So dicht dran wie heute waren wir noch nie.“
Die Zeit eilt, die Schwimmhalle Schöneberg ist marode und soll 2022 saniert werden. „Es tropft aus den Leitungen, die Technik ist nicht so doll, die WCs sind antiquiert. Alles halb so wild. Wir Wasserballer sind nicht so eitel – wir brauchen Wasser. Aber: Ohne die neue Arena in Spandau läge das nächste Becken für uns ab 2022 an der Landsberger Allee. Das wäre wirklich weit weg, oder?“
Sie sind eigentlich Spandauer? „Ich wohne in Britz, daran hat meine liebe Frau so ihren Anteil, aber ja: Ich bin gebürtiger Spandauer, groß geworden an der Falkenseer Chaussee. Ich habe die Grundschule am Spektesee besucht, später das Freiherr-vom-Stein- und das Siemens-Gymnasium. Meine Freizeit habe ich immer bei den Wasserfreunden verbracht, hinter der Zitadelle in der Havel – mit Buletten und Eis.“
Das Vereinsgelände liegt auf der Landzunge hinter der Zitadelle (Foto). Die will der Bezirk auffrischen, die Tennisplätze renaturieren und für die Bevölkerung erlebbar machen. „Die Tennisplätze geben wir her – als guten Willen, aber komplett verdrängt werden wollen wir nicht. Das muss der Politik klar sein! Diese Landzunge ist seit Jahrzehnten unser Zuhause, die Heimat der Wasserfreunde Spandau. Dort liegen unsere Boote. Und glauben Sie mir bei aller Romantik: In der Dunkelheit ist es auf der Landzunge überhaupt nicht gemütlich – da passen wir auf, dass komische Leute keine kriminellen Dinge tun.“ – Interview: André Görke für den Spandau-Newsletter
- Tagesspiegel-Fotostrecke: Hier zeigen wir Ihnen unsere Newsletter-Bilder vom Schwimmbad an der Gatower Straße. Haben Sie noch alte auf dem Dachboden? Vielleicht als Fan von Wasserball-Spielen? Bitte Mail an spandau@tagesspiegel.de
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Dieses Interview ist im neuen Tagesspiegel-Newsletter für Spandau erschienen. Kostenlos und kompletten Newsletter lesen unter leute.tagesspiegel.de