Nachbarschaft
Veröffentlicht am 02.04.2019 von André Görke

Detlef Buchwald, 75, Vorsitzender des „Segel Club Oberspree“ in Kladow, kurz: SCO.
Herr Buchwald, gibt’s einen Segelspruch zum Saisonstart? „Godewind, Ahoi!‘- das rufen Sie drei Mal. Mit einer Startpistole wird anschließend in die Luft geschossen.“
Am Wochenende ist Startschuss für alle Segler in Berlin – und zwar bei Ihnen in Kladow. Erzählen Sie mal. „Wir richten die Eröffnungsfeier der Segelsaison aus, um 11 Uhr geht’s los auf dem Vereinsgelände an der Havel. Jeder ist willkommen. Es gibt Grill- und Bierstände, Musik und Segel-Equipment. Wir zeigen unser neues Clubhaus, das wir für eine Million Euro gebaut haben, auch mit öffentlichen Geldern. Darauf sind wir stolz. Und um 13 Uhr werden 120 Flaggen gehisst. Wir erwarten 1500 bis 3000 Menschen.“
Aber die kommen nicht alle mit dem Boot?! „Natürlich nicht. 100 Boote werden in der Bucht liegen. Die holen wir mit kleinen Shuttlebooten an Land. Es kommen ja auch Gäste aus dem fernen Köpenick. Die werden eher das Auto nehmen. Mit dem Boot wären sie sonst einen Tag unterwegs, das sind ja 50 Kilometer von Köpenick nach Kladow. Da liegen Schleusen dazwischen. Und die Boote haben ja einen Segelmast, das ist alles nicht so einfach unter Brücken.“
Wer kommt denn so? „Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank, und auch Oliver Igel, der Bürgermeister von Treptow-Köpenick, haben zugesagt …“
… weil Sie ursprünglich ein Köpenicker Verein sind? „Vielleicht. Wir wurden 1906 in Grünau gegründet, deshalb heißen wir auch SCO – O wie Oberspree. Zu Beginn der 50er Jahre wurden wir, damals im Ostteil, von den Funktionären der DDR als elitäre Sportart enteignet. Das Eigentum, auch die Boote, wurde beschlagnahmt. Viele Mitglieder gingen in den Westen, seit 1966 sind wir in Spandau.“
Und Sie? „Ich bin waschechter Berliner, aus Friedrichshain. Ich bin 1962 über die Mauer gehüpft.“
Erzählen Sie. „Nur kurz: Es war ein Februarabend, kalt und dunkel. Ich hatte mich in die Charité reingemogelt und die Grenze beobachtet. Und dabei habe ich eine Routine bemerkt. Die Grenzer an der S-Bahnstrecke am Humboldthafen sind alle halbe Stunde immer für knapp fünf Minuten in einer Wachhütte verschwunden, zum Aufwärmen. Das war meine kleine Chance. Ich bin los, über die Mauer geklettert, hatte aber auch Glück, weil plötzlich ein Zug langsam in den Westen fuhr und ich im Schatten zum Lehrter Bahnhof mitlaufen konnte. Dann war ich drüben.“
Und seitdem leben Sie in Spandau? „Nein, erst in Charlottenburg. Seit 1991 bin ich aber Wilhelmstädter. Ich war der Chef einer Glasbiegerei in Staaken, kennen Sie vielleicht – „Glas Döring“. Die Scheiben von P&C am Tauentzien haben wir in Spandau gebogen, aber auch das Glas vom Skywalk im Grand Canyon. Das kommt aus Spandau.“
Eröffnungsfeier der Segelsaison beim SCO, Sakrower Kirchweg 73, 11 bis 17 Uhr. – André Görke
+++
Dieses Interview haben wir dem neuen Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau entnommen. Den Newsletter, den wir Ihnen einmal pro Woche schicken, können Sie kostenlos und unkompliziert bestellen unter leute.tagesspiegel.de.