Kiezkamera
Veröffentlicht am 22.09.2022 von Boris Buchholz

Jetzt ist der erste Bagger da. Das Grundstück der ehemaligen Zehlendorfer Bezirksgärtnerei zwischen Fischerhütten- und Sven-Hedin-Straße wurde schon vor über zehn Jahren an einen Projektentwickler verkauft – doch bisher wurde keine einzige der versprochenenen Wohnungen gebaut. Erst gab es Streit, wer wie viele Wohnungen errichten dürfe, dann wurde das 38.000 Quadratmeter große Gelände geteilt: Im südlichen Teil will die Pandion AG 113 Wohnungen, 16 Reihenhäuser und eine Kita bauen – erst im Frühjahr hatte die Firma das Projekt von der Allgemeinen Bauträgergesellschaft (ABG) aus München erworben. An der Fischerhüttenstraße streift der Herbstwind ungestört über den wuchernden Bewuchs – mal sanft, mal heftiger.
Doch im nördlichen Teil des Baugebiets ist Bewegung zu vermelden. Die landeseigene Howoge baut dort 130 Mietwohnungen, 50 Prozent davon sind Sozialwohnungen – seit dieser Woche ist ein erster Bagger auf dem Gelände im Einsatz. „Wir planieren erst und bauen dann bis Ende September die Baustraße“, erklärt Polier Ramazan Ceylan, 46, (oben im Bild) beim spontanen Tagesspiegel-Besuch auf der jungen Baustelle. Sein Arbeitgeber, die Firma Bateg, hat den Auftrag für den Bau der vier Howoge-Häuser erhalten. Über die etwa fünf Meter breite und L-förmige Behelfsstraße, können die Bauarbeiter dann von der Sven-Hedin-Straße aus alle vier Bauorte erreichen.
Die erste Baugrube werde für Haus Nummer vier ausgehoben. Es liegt an der unteren Grenze des Howoge-Areals. Die Häuser drei und zwei gruppieren sich nördlich und westlich um Haus Nummer vier herum; ganz oben an der Sven-Hedin-Straße entsteht Haus eins. Auch wenn der Bau am ersten Gebäude Anfang Oktober beginnt, müssen sich potenzielle Mieterinnen und Mieter noch etwas gedulden. „Wir werden in etwa zwei Jahre bauen“, sagt Polier Ceylan. Er schaut in seinem provisorischen Container auf die Pläne: Anfang oder Mitte 2024 sollen die 130 Mietwohnungen bezugsfertig sein.
Das entspricht einer Verspätung von vier Jahren: 2017 hoffte die Wohnungsbaugesellschaft auf einen Baustart im Jahr 2018 – im Herbst 2017 hatte das Bezirksamt über das Bauvorhaben informiert, meinen Bericht über eine turbulente Veranstaltung lesen Sie hier. Im Anschluss wurde diskutiert und die Anwohnenden setzten sich durch. Denn zunächst hatte die Howoge mit einem sechs- sowie einem fünfgeschössigen Gebäude geplant. Das sei im Vergleich zur Nachbarschaft zu hoch, monierten die Kritikerinnen und Kritiker. Bezirk und Senat gaben der Kritik nach, die Howoge musste flacher planen; jetzt entstehen statt der ursprünglich geplanten 144 Wohnungen nur noch 130. Und weil aufgrund der neuen Planungen auch der Bebauungsplan geändert und erneut ausgelegt werden musste (hier zu lesen), ließen die Bauarbeiter länger auf sich warten – bis heute.
Frust im Kiez. Trotz des Teilerfolgs der Anwohnenden scheinen sich so manche Nachbarin und so mancher Nachbar noch nicht mit dem flacher geplanten Bauprojekt angefreundet zu haben. Am Sonntag hatte jemand einen Zettel am Tor zur Baustelle angebracht. „So kann man einen Kiez zerstören und ein als Denkmal geschütztes Ensemble ruinieren!“, stand darauf. Mit dem „geschützten Ensemble“ ist die Zinnowwaldsiedlung gemeint, die zwischen 1927 und 1928 von der Gemeinnützigen Wohnungsfürsorgegesellschaft für die Provinz Brandenburg rund um den Hartmannsweiler- und den Zinnowweg gebaut worden ist. „Besonders der U-förmig angelegte Baublock an der Sven-Hedin-Straße 72/78 mit regelmäßigem symmetrischem Wandaufriß,… den Ecklisenen und dem steilen Walmdach greift wie keine andere Wohnanlage in Zehlendorf auf das Vorbild klassizistischer Bürgerhausarchitektur zurück“, heißt es in der Denkmaldatenbank des Landes Berlins.
Am dichtesten rückt das Howoge-Haus Nummer eins der denkmalgeschützten Anlage auf die Pelle. Während die anderen drei neu zu errichtenden Mietshäuser Flachdächer erhalten, werde Haus eins mit einem Walmdach versehen, sagt Polier Ramazan Ceylan nach einem Blick in die Pläne – damit es sich besser an das alte Nachbarhaus anpasse. Der Zettel des verärgerten Nachbarn hängt nicht mehr; die Baufirma hat ihn abgenommen.
- Foto: Boris Buchholz / privat
- Fotografieren Sie in Ihrem Kiez oder anderswo im Bezirk? Bitte senden Sie Ihre Bilder an: boris.buchholz@tagesspiegel.de