Namen & Neues
"So einen Wald sieht man selten": Bürgerinitiative lud zur Begehung des Dahlemer Wegs 247
Veröffentlicht am 08.08.2019 von Boris Buchholz
Es war eine kleine interessierte Gesellschaft, die sich am ersten August-Samstag am Heinrich-Laehr-Park traf. Die Bürgerinitiative Lebenswertes Lichterfelde hatte zur Begehung des Grundstücks Dahlemer Weg 247 geladen; etwa zwanzig Personen, darunter zwei Bezirksverordnete der FDP und einer der SPD, waren gekommen. „Ich bin enttäuscht, dass keiner von der Zählgemeinschaft da ist“, sagt Rainer Marohl von der Bürgerinitiative. Vertreter von CDU und Grünen waren nicht erschienen; auch Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) und Umweltstadträtin Maren Schellenberg (Grüne) seien eingeladen worden – es habe aber weder eine Absage noch eine Zusage gegeben, berichtet Marohl.
Der Streit um die Errichtung einer Unterkunft für Flüchtlinge am Dahlemer Weg 247, das plant der Senat, ist ein Streit um Bäume, Büsche, Blumen und Bienen. Denn auf den insgesamt etwa 18.000 Quadratmetern ist in den Jahrzehnten ein urbaner Wald entstanden, seit 1984 ist es eine geschützte Grünfläche. „So einen Wald mit den schiefen Bäumen sieht man selten“, begeistert sich Achim Förster vom BUND, als die Gruppe auf dem Gelände steht – inmitten hunderter Bäume. Die Natur habe sich ohne Eingriffe von außen entwickeln können, „nach dieser gerade stämmigen Robinie würde sich jeder Forstwirt die Finger lecken“. Langsam würden sich auf dem Gelände die Linden durchsetzen, „wir haben einen Sukzessionswald, was ganz selten ist“, erläutert der Experte. Am Dahlemer Weg könne man lernen, „welche Bäume mit dem Klimawandel klar kommen“, es sei eine Referenzfläche, die anderswo erst mühsam entwickelt werden müsse.
Auch Rainer Marohl betont die Wertigkeit der Natur. Das Grundstück sei ein wichtiger Teil des Biotopverbunds mit dem Heinrich-Laehr-Park, es sei ein „Rückzugsort für Kleintiere“. Dadurch dass der Wald hier nicht aufgeräumt sei und viel Totholz auf dem Boden liege, fänden viele Pflanzen- und Tierarten ideale Bedingungen. Man muss aufpassen, wo man hintritt: „Achtung! Wildbienen-Brutröhre“ steht auf einem A4-Zettel auf dem Waldboden. Mit einem Holzpflock haben die Aktiven der Bürgerinitiative den Ausgang des Bienen-Zuhauses markiert.
Es ist jedoch nicht nur die Natur, die uns die Füße vorsichtig setzen lässt, es ist auch der Müll, der überall in dem Waldgebiet zu finden ist: Glasscherben, blaue Müllsäcke, Baumaterial, alte Handschuhe, ein Rucksack, viele Plastikflaschen. So sehr die in der BI engagierten Anwohner das Grundstück auch achten; vielen der Nachbarn scheint der Dahlemer Weg als Müllhalde zu dienen. Die Bürgerinitiative würde gerne eine Pflegepartnerschaft für das Gelände übernehmen, sagt Rainer Marohl, doch das Bezirksamt habe sich dagegen ausgesprochen.
In der nördlichen Hälfte des Walds, auf 9.000 Quadratmetern, soll die Unterkunft nach den jüngsten Planungen des Senats entstehen. „9.000 Quadratmeter urbaner Wald filtert neun Tonnen CO2 im Jahr“, hat Rainer Marohl in Erfahrung gebracht. Für die Unterkunft müssten über 320 Bäume gefällt werden, fürchtet die BI. Bekannte Argumente, die bisher den Senat nicht beeindruckt haben. Zwei neue Aspekte ergab die Begehung: Zum einen vermutet eine Bürger-Expertin, dass es auf dem Gelände Fledermäuse geben könnte. Eine entsprechende Untersuchung habe es noch nicht gegeben, hieß es. Zum anderen wiesen die ortskundigen Nachbarn auf eine alte Eisenbahntrasse hin, die quer durch den Wald führte. Gleise liegen nicht mehr, die Trassenführung hin zum Gewerbegebiet Goerzallee/Beeskowdamm ist jedoch noch klar zu erkennen. Ob diese Trasse bereits entwidmet und wer zuständig sei, blieb an diesem Samstagnachmittag unklar.
Gleiches gilt für die Zukunft des Geländes. Der Senat will bauen. Für die Bezirksbürgermeisterin ist die Bebauung des Dahlemer Wegs das kleinere Übel in Sachen Bau von Flüchtlingsunterkünften: „Wir sehen den Dahlemer Weg als am wenigsten schlechte Lösung an“, sagte sie im Sommerinterview dem Tagesspiegel (hier zum Nachlesen). Die Bürgerinitiative hat dagegen schon erklärt, zu klagen, wenn die Bagger anrollen. Rainer Marohl hofft – und er blickte dabei in Richtung der anwesenden Kommunalpolitiker -, dass die Teilnehmer der Begehung das Anliegen der BI „ein bisschen weiter unterstützen werden“. Achim Förster forderte die Spaziergänger dazu auf, sich politisch zu beteiligen: „Man darf sich nicht vergessen machen.“