Namen & Neues
Autofrei auf der Havelchaussee
Veröffentlicht am 14.07.2020 von Corinna Cerruti
Gehören Sie auch zu den vielen Ausflüglern im Grunewald? Sei es zu Fuß oder auf dem Rad, viele Berliner:innen verschlägt es am Wochenende an die Havel. Nicht allzu wenige nutzen dafür ihren motorisierten Untersatz und rattern in Scharen auf der Havelchaussee durch den Wald. Dass das für die Umwelt nicht das Beste ist, muss ich an dieser Stelle wohl nicht ausführen. Zu diskutieren ist allemal, wie der verbliebene Raum unter uns Menschen aufgeteilt wird. Seit der ehemalige „Welt“-Chefredakteur Jan-Eric Peters die Onlinepetition „Macht die Havelchaussee zur Fahrradstraße!“ gestartet hat, haben mehr als 4000 Menschen sie bereits unterzeichnet.
Am vergangenen Sonntag hatte der ADFC zwei Raddemonstrationen entlang der Havelchaussee organisiert. Die Stadtteilgruppe Charlottenburg-Wilmersdorf kam von Norden, die Stadtteilgruppe Steglitz-Zehlendorf von Süden. Treffpunkt war am Grunewaldturm. Die Demonstrierenden haben nach eigener Aussage wohl für lange Autoschlangen gesorgt.
Die Begründung der Petenten: Für den Durchgangsverkehr werde die Straße wegen der fast parallel verlaufenden Avus nicht gebraucht, die 7,8 Kilometer lange Straße durch den Wald sei für Renn- wie Freizeitradler höchst attraktiv und der Ausflugsbus sowie die wenigen Anlieger könnten gerne die Straße weiter nutzen. Im Interview mit meinem Kollegen Boris Buchholz erklärte Peters: „Der kleine Radweg daneben, der zugleich Fußweg ist, reicht bei dem Ansturm nicht. Klar, eine Fahrradstraße wäre ein Privileg für Radler, aber warum denn nicht auf acht von mehr als 5.300 Straßenkilometern in unserer Stadt?“
Ja, warum eigentlich nicht? Das haben sich SPD und Linke im Bezirk wohl auch gedacht und in der letzten Bezirksverordnetenversammlung das Bezirksamt aufgefordert, sich für eine Sperrung der „Havelchaussee auf dem Abschnitt zwischen Postfenn und Kronprinzessinnenweg an den Wochenenden und möglicherweise auch an Feiertagen für den privaten Fahrzeugverkehr“ einzusetzen. Der Antrag wurde zunächst einmal in den Haushaltsausschuss überwiesen, jetzt ist Sommerpause.
Die Linke könnte sich auch eine zeitlich unbeschränkte Sperrung vorstellen, jedoch mit Ausnahme der Anlieger, die weiter durchfahren dürften. Außerdem sollten Gewerbestrukturen Unterstützung erfahren, um ihre Anfahrtskonzepte umzustellen (Waldhaus / Seehotel Grunewald / Wirtshaus Schildhorn etc.).
FDP und CDU haben sich klar gegen eine Umwandlung in eine Fahrradstraße positioniert. Der stellvertr. Fraktionsvorsitzende Rolf Breidenbach (FDP) sagt, das Areal müsse für „Familien mit Kindern und in der Mobilität eingeschränkte Personen, und nicht nur für Fahrradfahrende weiterhin gut erreichbar sein.“ Der Oldtimerbus, der nur im halbstündigen Takt fahre, könne dies nicht ersetzen. „Ein Bus müsste hinter den Fahrradfahrenden zum Grunewaldturm hochfahren.“ Auch die AfD äußert sich kritisch und fordert gleich „eine fundierte Analyse des Verkehrsgeschehens nach Art, Intensität und Zielen auf der Havelchaussee“, um eine Entscheidung treffen zu können.
Dass weniger mobile Berliner:innen nun fürchten, nicht mehr in den Grunewald fahren zu können, ist nachvollziehbar. Doch auch dafür fänden sich Lösungen: Der SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Buchta schlägt daher einen Shuttle-Service im 15-Minuten-Takt vor. In den letzten Jahren sei das „rücksichtslose Verhalten der Autofahrer“ ein Problem geworden. „An den Wochenenden parken sie alles zu, zerstören abgeschlossene Schranken und parken tief in den Wald hinein, räumen Bäumstämme weg, nur um parken zu können.“ Daher müssten Fußgänger und Radfahrer nun Vorrang haben. Eine Umwandlung könne man sich ab Frühjahr 2021 vorstellen.
Und dann sagt Buchta weiter: „Die Havelchaussee war bisher nicht im Fokus unserer kommunalen Arbeit, da hier Veränderungen immer sehr emotional diskutiert werden; die sachliche Ebene wird leider schnell verlassen und es bilden sich harte unvereinbare Fronten.“ Ich habe Ihnen dazu auch nochmal die Meinungen unserer Leser und Leserinnen aus den letzten Newslettern rausgesucht. Das Thema hat Zündstoff, es bleibt spannend. Übrings: Während ich diesen Beitrag geschrieben habe, haben 26 Personen die Petition unterschrieben.