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Wenn der Postmann zweimal klingelt: Neuer Werbebrief bringt Südwest-CDU in Bedrängnis

Veröffentlicht am 16.09.2021 von Boris Buchholz


Wer den Wahlkreis gewinnt, ist noch nicht entschieden. CDU-Kandidat Thomas Heilmann sorgt mit umstrittener Kampagne für Aufregung.

 

Wenn der Postmann zweimal klingelt: Neuer Werbebrief bringt Südwest-CDU in Bedrängnis. Turbulente Zeiten bei der CDU Steglitz-Zehlendorf – wieder einmal. Sorgte vergangene Woche ein CDU-Werbebrief des Ex-Vizepolizeipräsidenten Gerd Neubeck für Aufregung, ist es diese Woche ein ähnlicher Brief der Unternehmer Verena Pausder und Johannes Reck. In beiden Fällen schienen die Briefeschreiber Wahlaufrufe für den CDU-Bundestagskandidaten Thomas Heilmann an die Privatanschriften ihnen unbekannter Bürgerinnen und Bürger zu senden – tatsächlich hatte aber der CDU-Kreisverband die Kosten übernommen und die Adressen zur Verfügung gestellt. Dass die CDU hinter der Postaktion steckte, war für die Empfänger nicht zu erkennen. Es fehlte jeder erklärender Satz, auch das Parteilogo tauchte nirgends auf. Viele Bürger schrieben dem Tagesspiegel, sie sehen den Datenschutz verletzt.

Hieß es seitens der CDU in der vergangenen Woche noch, dass man eine Irreführung nicht nachvollziehen könne und dass die CDU „eine private, vom Grundgesetz geschützte Meinungsäußerung“ lediglich verschickt habe, klingt die Südwest-CDU diese Woche schon kleinlauter: „Vielleicht wäre ein Satz gut gewesen, in dem klargestellt wird, woher die Adressdaten stammen und dass sie ordnungsgemäß streng nach den Vorgaben verarbeitet wurden. Wir haben nicht damit gerechnet, dass das für so viel Verwirrung sorgt“, sagte Heilmann-Sprecherin Mareen Theil dem Tagesspiege Checkpoint. „Hinterher ist man immer schlauer.“

Neuer Ärger: Hat einer der beiden Unternehmer dem Brief an die Wähler gar nicht zugestimmt? Unternehmer Johannes Reck will nichts davon gewusst haben, dass der zweite Werbebrief mit ihm als Absender an die Bürgerinnen und Bürger geht. „Abgestimmt war, dass Verena Pausder und ich in einem Rundschreiben an CDU-Mitglieder, die dem Erhalt zuvor zugestimmt hatten, zu Wort kommen sollten. Thomas Heilmann sollte ganz klar der Absender sein“, sagte Johannes Reck der „B.Z“. Verena Pausder äußerte sich nicht öffentlich zu dem Brief und ließ eine Tagesspiegel-Anfrage unbeantwortet. Mareen Theil stellt die Genese des Briefes ganz anders dar: „Herr Reck wusste, wofür der Brief verwendet wird, er und Frau Pausder haben den Brief samt Briefkopf genauso freigegeben, wie er verschickt wurde.“

Es wird immer ominöser – Lagerraum der CDU als Absenderadresse. War die angebliche Privatadresse im Brief des Ex-Polizeivizepräsidenten die Anschrift der CDU-Zentrale im Bezirk, fungierte beim Brief der beiden Unternehmer die Goerzallee 299 als Anschrift der vermeintlichen Absender. Hinter der Hausnummer verbirgt sich das Start-up-Fabrikgebäude des Goerzwerks; sowohl Verena Pausder als auch Johannes Reck sind hier unbekannt. Aber: „Die CDU hat dort einen Lagerraum für Wahlkampfmaterialien angemietet. Wir haben die Adresse angegeben, damit Empfänger:innen des Briefs postalisch antworten können“, erklärt Heilmanns Sprecherin Mareen Theil dem Tagesspiegel.

Unternehmensbeteiligungen. Thomas Heilmann, der CDU-Bundestagsabgeordnete war von 2012 bis 2016 Berliner Justizsenator, steht auch wegen seiner Unternehmensbeteiligungen in der Kritik. Am vergangenen Freitag deckte „Der Spiegel“ auf, dass er über einen Treuhänder am Unternehmen „Bioinvest“ beteiligt sei. Die „millionenschwere“ Firma, so der Spiegel, betreibt „Anlagen im Bereich der erneuerbaren Energien“. Thomas Heilmann war jüngst in das Klimateam des CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet berufen worden. Der Firma Bioinvest gehört auch mehrheitlich ein Gebäude in der Großbeerenstraße, das vom Senat als Flüchtlingsunterkunft benutzt wird – 70.000 Euro überweist das Land monatlich an Miete.

Pikant: Bioinvest kaufte das Gebäude als Thomas Heilmann Justizsenator war. Der Vermögensverwalter des CDU-Politikers wies gegenüber dem „Spiegel“ jede Einflussnahme des damaligen Justizsenators zurück. Dieser sei „erst im Nachhinein“ über den Kauf informiert worden. Der Politiker habe als mittelbar an der Gesellschaft Beteiligter auch noch keine Dividenden bekommen. Der „Spiegel“ berichtet, dass Thomas Heilmann bis 2014 Anteile an der Bioinvest gehörten, dann habe sein Vermögensverwalter 100 Prozent übernommen: „Seit 2019 ist Heilmann über seine Investmentfirma Millennium Venture Capital wieder dabei.“ Die Millennium Venture Capital hat nach Informationen des Nachrichtenmagazins 2017 einen Bilanzgewinn von 54 Millionen Euro erzielt; „zuletzt lag er sogar bei mehr als 80 Millionen Euro“.

Kritik der Grünen. Der Steglitz-Zehlendorfer Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux kritisiert: „Heilmann lässt Briefe verschicken, in denen sein vermeintlicher Kampf gegen die Organisierte Kriminalität gelobt wird. Dabei bedient er sich selbst solcher Methoden, indem er mit Treuhandkonstrukten seine Vermögen und Interessenskonflikte verschleiert.“ Er solle sein Wahlkampfbudget offenlegen und erklären, woher „das Geld für seinen Millionen-Wahlkampf“ stamme, fordert Benedikt Lux, der innenpolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus ist. Heilmanns Sprecherin weist das zurück: „Das ist eine furchtbare wahlkampftaktische Entgleisung, weil nichts von den Vorwürfen stimmt.“

Text & Foto: Boris Buchholz
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