Namen & Neues

Koloniale Vergangenheit: Drei Voten für Umbenennung der Iltisstraße

Veröffentlicht am 03.11.2022 von Boris Buchholz

Die Frage, ob die nach einem deutschen Kanonenboot benannte Iltisstraße in Dahlem nicht einen neuen Namen verdienen würde, wird seit Jahrzehnten geführt. Im jüngsten Akt der Debatte warben im Juli Christian Walther und Aljosha Saribaf in der „OSI-Zeitung“, der Zeitschrift des Otto-Suhr-Instituts der Freien Universität, wieder für die Umbenennung und einen neuen Namen: Nora-Schimming-Promenade (hier lesen Sie meinen Bericht). Die neue Initiative traf auf offene Ohren, viele Leserbriefe erreichten die Redaktion (meine Kollegin Antje Scherer fasste die Reaktionen hier zusammen). Jetzt äußerten sich auch zwei der drei direkten Anlieger der Iltisstraße zu einer möglichen Umbenennung – und zwar positiv.

FU-Leitung: Pro Umbenennung. Wie der Tagesspiegel im Oktober erfuhr, hatte sich der Präsident der Freien Universität, Günter M. Ziegler, schon im August per E-Mail an Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg (Grüne) gewandt. Er schrieb: „Ich kann schon einmal festhalten, dass das neue Präsidium gute Gründe sieht, warum die derzeitige Erinnerungstafel der Geschichte und dem Ort nicht ausreichend gerecht wird, und die daher für Umbenennungen sprechen.“ Er bat darum, dass die Universität an der Namensdiskussion beteiligt werde und schlug vor, sich zu treffen. Doch dazu ist es nicht gekommen, wie das Präsidialamt dem Tagesspiegel mitteilte. Die Bürgermeisterin habe bei dieser „Frage politischer Natur“ an die Bezirksverordnetenversammlung verwiesen. Es sei verabredet worden, dass sie die Fraktionen von der positiven Grundhaltung und dem Gesprächswunsch der Universität in Kenntnis setze.

Jugend- und Auszubildendenvertretung der FU: Pro Umbenennung. Auch die Auszubildenden der Hochschule haben sich deutlich zu Wort gemeldet. Die Namen Iltis-, Lans- und Takustraße „sind Relikte des frühen 20. Jahrhunderts zu Ehren der kolonialen Überlegenheit Deutschlands gegenüber den von der Fremdmacht ausgebeuteten Völkern“, heißt es in einer Stellungnahme. Weiter heißt es dort: „120 Jahre später sieht das moderne Berlin ganz anders aus: kulturell bunt, tolerant und weltoffen. Es gibt keinen Platz für solch veraltete koloniale und rassistische Ansichten.“ Persönlichkeiten wie die namibische Botschafterin Nora Schimming oder Sängerin Lea-Nina Rodzynek, auch bekannt als Belina, seien würdige Namenspatinnen. Sie stünden für „inspirierende Themen wie Frauenrechte, Völkerverständigung, Unabhängigkeit und Frieden“. Es gehe der Jugend- und Auszubildendenvertretung nicht darum, „die Kolonialgeschichte Deutschlands zu verdrängen, sondern das moderne weltoffene Berlin zu repräsentieren“.

Museen Dahlem: Pro Umbenennung. Am Ende der Iltisstraße liegen die Dahlemer Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Elisabeth Tietmeyer, die Direktorin des Museums Europäischer Kulturen, und Alexis von Poser, der Direktor des Forschungscampus Dahlem und stellvertretender Direktor des Ethnologischen Museums sowie des Museums für Asiatische Kunst, haben sich gegenüber der OSI-Zeitung zur Umbenennung der Iltis-Straße geäußert: Beide „unterstützen die Initiative bezüglich einer Umbenennung sehr“.

Es gibt noch einen privaten Anlieger der Iltisstraße. Christian Walther, der Co-Herausgeber der OSI-Zeitung, hatte in der Iltisstraße 9 auf die Klingel gedrückt. Dort habe man zwar nicht mit ihm sprechen wollen, berichtete er dem Tagesspiegel, doch habe der Anwohner von der Umbenennungsinitiative Kenntnis.

Evangelische Kirche: Pro Umbenennung. Die Beauftragte für Erinnerungskultur der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Pfarrerin Marion Gardei, nennt die angestrebte Umbenennung „ein wichtiges Zeichen gegen Rassismus in diesen Zeiten“. Sie fährt fort: „Als Beauftragte für Erinnerungskultur unterstütze ich gern diese Initiative.“ Sie kennt die Iltisstraße gut: Viele Jahre lang war Marion Gardei Pfarrerin der Gemeinde Dahlem gewesen.

Die Idee, die Iltisstraße nach Nora Schimming zu benennen, wurde auch in Dänemark gehört: Dort lebt die Journalistin und Schriftstellerin Ruth Weiss, sie ist 98 Jahre alt. 1936 war sie mit ihrer Familie vor den Nazis nach Südafrika geflohen. Weil sie die Apartheid kritisierte, gegen Rassismus und Diskriminierung anschrieb, wurde sie 1966 auf die „schwarze Liste“ des Apartheidsregimes gesetzt und musste das Land verlassen. Sie lernte nicht nur Nelson Mandela kennen, sondern auch viele weitere Freiheitskämpferinnen und -kämpfer Afrikas. Dem Tagesspiegel schrieb sie: „Ich kannte und schätzte Nora Schimming-Chase und hoffe sehr, dass sie gebührend gefeiert wird!“