Nachbarschaft

Veröffentlicht am 31.01.2019 von Boris Buchholz

Politische Arbeit in den Bezirken – geht’s auch familienfreundlicher? Wird oft unterschätzt: die Arbeit der Bezirksverordneten in Berlin. Sie sitzen abends nach ihrem normalen Job in den Ausschüssen – oft mehrmals die Woche, oft stundenlang. Sie sind unterwegs zu Kiezterminen und Ansprechpartner in den Bezirken. Was viele nicht wissen: Ihr Job ist ein Ehrenamt. Ihr Lohn: gering – hier der Kassensturz. In so manchen Bezirken – etwa in Tempelhof-Schöneberg – beginnt nun eine Debatte, ob diese Arbeit familienfreundlicher gestaltet werden könnte. Auch im neuen Spandau-Newsletter wird das Thema sein. Hier im „Leute“-Newsletter von Steglitz-Zehlendorf sprach Boris Buchholz mit der Bezirksverodneten Jeannine Perduss, 39. Sie ist seit 2006 für die CDU Mitglied in der BVV Steglitz-Zehlendorf. Sie hat einen zweijährigen Sohn, der seine Mutter immer wieder bei der parlamentarischen Arbeit begleitet.

Frau Perduss, das Ehrenamt „Bezirksverordnete“ macht viel Arbeit. Sie sind Vorsitzende des Hochbau-Ausschusses und sitzen in zwei weiteren Ausschüssen – wie viel Zeit investieren Sie jede Woche in die Lokalpolitik? Derzeit lässt die Familie mir nicht so viel Zeit für die Politik und ich beschränke mich auf insgesamt etwa 10 bis 15 Stunden wöchentlich. Die Sitzungen beginnen inklusive Vorbesprechung in der Regel um 17 Uhr. Ausschüsse enden gegen 19.30 Uhr, BVV-Sitzungen meist erst nach 22 Uhr.

Es gibt Stimmen, die sagen, mit einem Job und gar Familie sei die BVV-Arbeit kaum zu bewältigen. Sie haben beides: Was ist Ihr Geheimnis? Es bereichert die Politik, wenn sich eine Fraktion aus verschiedenen Alters- und Berufsgruppen zusammensetzt, da unterschiedliche politische Perspektiven Einfluss finden und eine sinnvolle Arbeitsteilung unter den Fraktionskollegen möglich wird. Wie bei allen Familien muss der Alltag gemeinsam geplant und organisert werden. Eine Familie, die sich unterstützend einbringt, hilft sehr. Während ich im Büro bin, ist mein Sohn in der Kita; wenn ich als Bezirksverordnete unterwegs bin, ist er dabei, bis der Papa ihn abholt. Zur Not springt auch mal die Tante ein.

Wie familienfreundlich ist die Arbeit im Bezirksparlament? Der Politikbetrieb überhaupt ist nicht sehr familienfreundlich, da er oft nach Feierabend, also in der Kernzeit für die Familie, stattfindet. Dafür beschränken sich die festen Abendtermine des Beziksparlaments auf eine erträgliche Anzahl im Monat. So findet sich ein guter Ausgleich zwischen Politik und Familie.

Was halten Sie von Initiativen, die Redezeiten zu beschränken, Sitzungen früher beginnen und enden zu lassen und Kinderbetreuung während der Sitzungen einzuführen? Als Berufstätige fände ich einen früheren Sitzungsbeginn problematisch. Die Redezeiten in der BVV sollten meiner Ansicht nach begrenzt werden. Eine Stunde über einen Tagesordnungspunkt zu debattieren, ist weder sinnvoll noch zielführend. Im Übrigen ist das nicht nur für die Bezirksverordneten eine Zumutung, sondern auch für die interessierte Öffentlichkeit. Eine Kinderbetreuung würde ich persönlich nicht in Anspuch nehmen. Während der abendlichen Sitzungen eines Feierabendparlaments sollte mein Sohn daheim sein.

Ihr Sohn war zum ersten Mal mit zwei Wochen im Sitzungssaal. Sind Sie Vorbehalten seitens der anderen Bezirksverordneten begegnet? Im Gegenteil. Ich hatte eher den Eindruck, dass sich seine Anwesenheit sehr positiv auf die Arbeitsatmosphäre auswirkt.

Was hat Ihren Sohn in der Bezirkspolitik bisher am meisten beeindruckt? Er beteiligt sich begeistert an Abstimmungen und sogenannten Beifallsbekundungen.
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