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Radschnellweg durch den Bezirk: Kritik an der Teltowkanalroute
Veröffentlicht am 20.04.2021 von Sigrid Kneist
Die Planung für einen Radschnellweg auf der sogenannten Teltowkanal-Route nimmt ein wenig mehr Gestalt an. In einem dem Tagesspiegel vorliegenden Entwurf des Ingenieurbüros SHP aus Hannover im Auftrag der landeseigenen Infravelo GmbH kann man jetzt geplante Streckendetails erkennen. Vor allem wird deutlich, dass es auf der Strecke, die von Lichterfelde zum Südkreuz führen soll, erhebliches Konfliktpotenzial zwischen den Interessen von Radfahrern und Fußgängern geben wird. Für die Strecke im Nachbarbezirk Steglitz-Zehlendorf hat mein Kollege Boris Buchholz aufgeführt, wo die dortigen Knackpunkte liegen. Lesen Sie hier seinen Bericht.
- Brücke nur für Radfahrer. Wenn der Radschnellweg vom Insulaner-Park her kommend über die Sembritzkistraße nach Tempelhof-Schöneberg geführt wird, soll der Prellerweg über eine Brücke gequert werden. Diese ist nur für Radfahrer vorgesehen; Fußgänger sollen weiter die Straße nutzen.
- Der zum gleichnamigen S-Bahnhof und an ihm vorbei führende Priesterweg ist derzeit eine für Fahrradfahrer kaum zu befahrene Kopfsteinrumpelpiste; er soll auf diesen Abschnitt zu einer Fahrradstraße werden. Ein Knackpunkt wird sein, den Zugang in den dort beginnenden Hans-Baluschek-Park so zu gestalten, dass er Radfahrern und Fußgängern gerecht wird. Derzeit ist die Rampe so eng, dass ein Schild die Radfahrer auffordert, dort abzusteigen. Daran hält sich niemand. Laut Verkehrsstadträtin Christiane Heiß (Grüne) ist das Radfahren im gesamten Hans-Baluschek-Park eigentlich verboten, da dieser eine Grünanlage ist. Das Radfahren werde aber geduldet, da es die einzige vernünftige Nord-Süd-Verbindung in dem Bereich ist.
- Die Planungen sehen jetzt vor, dass der bisher vier Meter breite Weg, der von Radfahrern und Fußgängern gleichermaßen genutzt wird und den schmalen Park teilt, nur noch von den Radfahrern genutzt wird. Für die Fußgänger soll daneben ein neuer Weg asphaltiert werden, der an der engsten Stelle am südlichen Beginn des Parks nur zwei Meter, im weiteren Verlauf dann drei Meter breit ist und mit einem schmalen Grünstreifen abgetrennt wird. Problematisch ist zudem, dass an manchen Stellen des Parks auf beiden Seiten Erholungs- oder Spielareale angelegt sind, die dann regelrecht durchschnitten würden. Zumal von einem Radweg, auf dem etliche Fahrer mit ordentlicher Geschwindigkeit unterwegs sind.
- Brücke über die Stadtautobahn und Sachsendamm. Auf diesem Abschnitt zum Südkreuz hin wird es nach den Planungen ebenfalls eng für die Fußgänger: Ihnen bleiben dort wieder nur zwei Meter. Konfliktpunkte gibt es auch an der Streckenführung vorbei am Bahnhof und Busbahnhof. Beim Abbiegen dann Richtung Radfernweg Berlin-Leipzig entlang der S-Bahn-Gleise ziehen die Fußgänger erneut den Kürzeren.
Kritik des Fußgängervereins Fuss. Vorsitzender Roland Stimpel hält Planungen für unmöglich, bei denen Fußgängerinteressen weniger gewahrt werden als jene der Radfahrer. „Eine Brücke nur für Radfahrer wie am Prellerweg geht gar nicht“, sagt Stimpel. Auch, dass im südlichen Teil des Baluschek-Parks der Gehweg auf gut einem halben Kilometer nur zwei Meter breit sein soll, sei nicht hinnehmbar. Ohnehin finde er es merkwürdig, einen Radschnellweg, bei dem manche Radler mit gut 30 Stundenkilometern unterwegs sind, durch einen Park zu führen: „Das ist schon ziemlich widersinnig. Schnellwege passen nicht in einen Park.“ Der Verein könne diese Planungen nur ablehnen.
Eine Stimme der Grünen. Dieser Auffassung ist auch Annabelle Wolfsturm. Sie ist Bezirksverordnete für die Grünen und Direktkandidatin für den Wahlkreis Friedenau bei den Abgeordnetenhauswahlen und engagiert sich bei der Fußgängerorganisation. „Jahrzehntelang wurde alles den Autos untergeordnet. Und jetzt darf es nicht sein, dass die Interessen der Radfahrer gegen die der Fußgänger ausgespielt werden“, sagt Wolfsturm. Einen Radschnellweg mitten durch den Park zu führen, sei absurd. Denkbar sei dies nur am Rande des Parks. Der Park sei seinerzeit als Ausgleichsfläche beim Bau der Stadtautobahn angelegt worden. Wenn jetzt Grünfläche versiedelt werde, müsse man eine Ausgleichfläche der Ausgleichsfläche schaffen. „Aber wo soll die denn sein?“, fragt Wolfsturm.
Gibt es eine andere Strecke? Die Planer legen eine Alternativroute vor, sie führt über den Priesterweg und den Vorarlberger Damm. Sollte diese verwirklich werden, müssten dort aber jede Menge Straßenbäume fallen, mehr als hundert Jahre alte Kastanien. Stadträtin Heiß spricht bei den Routen von einem „richtigen Zielkonflikt“. Den Verlust von gewachsenen alten Bäumen in dieser Größenordnung könne man eigentlich nicht kompensieren. Den Baluschek-Park könne man einfacher durch Maßnahmen aufwerten. Allerdings dürfe man dort auch nicht in größerem Umfang mehr Wegstrecke versiegeln und asphaltieren. Schwierigkeiten sieht sie zudem am Südkreuz, da noch nicht klar sei, was die Bahn dort am Vorplatz und am Busbahnhof plane. Gerüchteweise sei derzeit zu hören, dass die Bahn im Bahnhofsbereich entlang der S1 eine Radbrücke plane.
Stand der Planungen. Noch ist es ein frühes Stadium. Senat, Bezirke und Träger öffentlicher Belange müssen noch Stellungnahmen abgeben. Infravelo geht davon aus, dass frühestens Anfang 2024 mit dem Bau des Radschnellwegs Teltowkanalroute begonnen werden kann.
Foto: Sigrid Kneist
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