Intro
von Cay Dobberke
Veröffentlicht am 05.07.2019
der Ruf des ältesten erhaltenen Wohnhauses in Wilmersdorf hat gelitten. 16 Jahre lang stand das Schoeler-Schlösschen an der Wilhelmsaue leer. Die Stiftung Denkmalschutz Berlin musste eine begonnene Sanierung aus finanziellen Gründen abbrechen, und das Bezirksamt fand zunächst keine anderen Geldgeber. Hinzu kam der Streit mit Anwohnern um die künftige Nutzung. In der letzten Sitzung des BVV-Kulturausschusses vor der Sommerpause wurden Ergebnisse eines Werkstattgesprächs mit rund 45 Bürgern vorgestellt. Demnach wird „die nahe Vergangenheit mit viel Negativ-Schlagzeilen assoziiert“.
Das soll sich nun ändern. Den Workshop hätten die Teilnehmer, von denen die meisten Wilmersdorfer Anwohner waren, als „Startschuss für einen Imagewandel wahrgenommen, an den sehr viele Hoffnungen geknüpft sind“, sagt Katja Baumeister-Frenzel. Ende Juni hatte die Kulturwissenschaftlerin das Gespräch moderiert, ebenso wie zwei Wochen zuvor ein erstes Treffen. Bei der Bürgerbeteiligung arbeitet sie für das Bezirksamt. Unabhängig davon ist Baumeister-Frenzel als Vorsitzende des Vereins ParkHaus Lietzensee bekannt, der im Lietzenseepark das historische Parkwächterhaus neu beleben will.
Auch für das Comeback des Schoeler-Schlösschens sind die Weichen endlich gestellt. Die Sanierung soll bald weitergehen. Im vorigen April bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestags 1,575 Millionen Euro aus einem Förderprogramm. Außerdem stehen 2020 bis 2023 insgesamt 1,6 Millionen Euro aus dem Bezirkshaushalt zur Verfügung. Weitere Mittel will Kulturstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) bei der Berliner Lottostiftung beantragen. Obwohl ihre Amtsvorgängerin Dagmar König (CDU) dort vor Jahren abgeblitzt war, glaubt Schmitt-Schmelz, mit einem neuen Konzept gute Chancen zu haben. Ein Lotto-Zuschuss würde im Idealfall dazu führen, dass der Bezirk seinen Kostenanteil reduzieren kann.
Schon jetzt gibt es erste Ausstellungen, Konzerte und andere Veranstaltungen inmitten der Baustelle. Auch künftig soll Kultur im Mittelpunkt stehen. Im Workshop wünschten sich Bürger beispielsweise eine regelmäßige Beteiligung der Musikschule City West und der bezirklichen Jugendkunstschule, Veranstaltungen zur Stadtteilgeschichte und zur Historie des Hauses, eine Schreibwerkstatt, Literaturabende, ein „Salonformat“ sowie Theater, Musik, Tanz und verschiedenste Ausstellungen.
Möglichst rasch solle der Garten hinter dem Haus wieder nutzbar gemacht werden, fordern die Bürger. In einem ersten Schritt wollen zwei Anwohner ehrenamtlich Müll und Brennnesseln beseitigen. Zu den weiteren Vorschlägen gehören bis zu zwölf Sitzplätze im Vorgarten an der Wilhelmsaue. Dieser könnte von einem im Haus geplanten Café bewirtschaftet werden. Im Dachgeschoss ist ein „temporäres Wohnatelier“ für Künstler oder einen „Stadtschreiber“ angedacht. Und nicht zuletzt geht es um „Barrierearmut“. Vollständige Barrierefreiheit scheint in dem alten Gemäuer kaum erreichbar. Immerhin plant das Bezirksamt einen Aufzug. Im Gespräch sind auch mobile Rampen für den Zugang vom Garten aus.
Eine öffentliche „Schlusspräsentation“ des Konzepts wird es am 13. August ab 17.30 Uhr im Kulturausschuss geben, der im Rathaus Charlottenburg tagt. Bis dahin will das Bezirksamt am Lottomittelantrag arbeiten und sich mit Vertretern des Bundes treffen, um abzusprechen, wie dessen Zuschuss verwendet wird.
Ausgebootet sieht sich die Bürgerinitiative Schoeler-Schlösschen. Sie erklärte ihr Engagement soeben für beendet. Vier Jahre lang hatte man sich für ein selbstverwaltetes sozio-kulturelles Zentrum eingesetzt und mehr als 4000 Unterschriften gesammelt. Das Bezirksamt will die Trägerschaft jedoch nicht abgeben. Stadträtin Schmitt-Schmelz nennt vor allem finanzielle Gründe. Die Bürger hätten auf Fördermittel aus einem Programm gehofft, aus dem der Bezirk gar keine Gelder beantragen könne.
Initiativen-Sprecher Rainer Wittek kritisiert, „niemals“ hätten Verantwortliche in der BVV oder in der Verwaltung mit den Bürgern „über die detaillierte Konzeption der BI diskutiert“. Auch bei den Werkstattgesprächen habe man keine eigenen Ideen vorstellen dürfen. Und einen Antrag der Linksfraktion, die Pläne der Initiative umzusetzen, habe der Kulturausschuss „ohne inhaltliche Diskussion vom Tisch gefegt“.
Seinen Namen verdankt das Schoeler-Schlösschen (das überhaupt nicht einem Schloss ähnelt) dem Augenarzt Heinrich Schoeler. Ende des 19. Jahrhunderts hatte er das Haus und den Park dahinter erworben. Die Anfänge des Gebäudes reichen bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück.
Cay Dobberke, geboren in Berlin, wohnt seit mehr als 25 Jahren in Wilmersdorf. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an cay.dobberke@tagesspiegel.de