Sport
Veröffentlicht am 28.05.2020 von Christian Hönicke
Jahn-Stadion: Benn gegen Abriss, Sportverbände dafür. Die Debatte um Stadionabriss und Umgestaltung des Jahn-Sportparks geht weiter. Nun haben sich die Sportverbände und Pankows Bürgermeister Sören Benn zu Wort gemeldet. Erstere betonen in einem Offenen Brief an Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke), Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) und die Fraktionsspitzen der Regierungskoalition das „wichtige Inklusions- und Infrastruktur-Projekt“. Auch Benn erhielt eine Kopie des Briefs, er spricht sich dennoch gegen den Stadionneubau und für eine Sanierung aus.
Die Sportverbände schreiben, man nehme „mit großer Sorge wahr, dass der Neubau des großen Stadions und die Weiterentwicklung des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks zum Inklusions-Sportpark sowohl im Bezirk Pankow, im Abgeordnetenhaus als auch im Senat von Einzelnen teilweise in Frage gestellt wird“. Der Stadionneubau sei wichtig für die Sportmetropole, „es gibt in dieser Größe und in der Funktion kein vergleichbares Stadion in der Stadt“. Demnach wäre das neue Stadion geeignet für
- Leichtathletik-Wettkämpfe auf Berliner, regionaler, nationaler und internationaler Ebene
- Fußball-Pokalspiele auf Berliner Ebene und auf Ebene des DFB-Pokals
- Fußball-Länderspiele im Nachwuchsbereich und das Finale der Champions League der Frauen
- Multisport-Events wie „Jugend trainiert für Olympia“ und Paralympics, Wettkämpfe in Trendsportarten oder das alljährliche Internationale Sportfest des Sportclub Lebenshilfe
Deshalb solle der Neubau eines „umfassend inklusiven Stadions“ mit „dem bestmöglichen Schutz vor Lärm- und Lichtemissionen“ als „nationales Aushängeschild“ erfolgen. Öczan Mutlu, der Vorsitzende des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbands Berlin, unterzeichnete den Brief genauso wie seine KollegInnen von Landessportbund, Berliner Fußball-Verband und Berliner Leichtathletik-Verband. Der „Inklusionssportpark“ bietet „die wunderbare Gelegenheit, mitten in Berlin Breiten-, Freizeit-, Reha- und Leistungssport zu treiben und zu erleben“, heißt es darin.
Kritiker des Projekts wie die „Bürgerinitiative Jahn-Sportpark“ und der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto halten genau das „inklusive Stadion“ jedoch für einen Euphemismus – es solle nicht besonders barrierefrei werden und diene am Ende vor allem dem Fußball. Nun gesellt sich auch Pankows Bürgermeister zu denen, die den Sinn des 120-Millionen-Euro-Neubaus anzweifeln. Nachdem sich das Bezirksamt bisher in der Debatte zurückgehalten hat, hinterfragt Sören Benn öffentlich, ob ausschließlich Abriss und Ersatzbau des Stadions notwendig seien – oder nicht „kostengünstigere Maßnahmen“ wie eine Sanierung ausreichten. Das werde nun „im Licht der neuen finanziellen Lage des Landes bewertet werden müssen, wie auch die Frage, worin genau die Not besteht“.
Benn weist wie die Anwohner zudem auf die zu erwartenden Mehrbelastungen für das Umfeld hin: „Umstritten ist meines Erachtens derzeit auch noch, welche Folgekosten für die Anpassung der verkehrlichen Infrastruktur berücksichtigt werden müssten, da Stadion und Sportpark deutlich intensiver genutzt werden sollen als bisher.“
Noch vehementer gegen den Stadionabriss kämpft der Pankower Grünen-Abgeordnete Otto. Er löchert den Senat seit einiger Zeit mit Anfragen. In der neuesten wollte er wissen, warum denn eine Sanierung ausgeschlossen werde. Die Sportverwaltung listete zur Antwort viele (Sicherheits-)Mängel am alten Stadion auf, „das ist erstmal nicht überraschend“, so Otto. Die Verwaltung lasse aber viele Fragen unbeantwortet, etwa die nach einer möglichen Mindestsanierung.
Doch eine solche Sanierung, die in der vorigen Legislaturperiode noch verworfen wurde, müsse nun ernsthaft geprüft werden, fordert Otto. „Denn die Bedingungen haben sich geändert.“ In Berlin gelte ab sofort „Bestandsschutz vor Abriss“. Der Senat hat in der Tat am 12. Mai das „Abfallwirtschaftskonzept 2020 bis 2030“ beschlossen. Darin heißt es: „Entsprechend der fünfstufigen Abfallhierarchie des KrWG stellt die Vermeidung die oberste Prämisse des Zero-Waste-Leitbildes dar. Dazu gehören u.a. die Erhaltung der Gebäudesubstanz, der Vorrang von Sanierungsmaßnahmen und Ertüchtigung des Gebäudes sowie die Weiterverwendung von Bauteilen (…).“
Die jetzige Koalition sei also nicht nur dem Sport, sondern auch der Umwelt besonders verpflichtet, sagt Otto: „Deshalb brauchen wir eine Sanierungsvariante für das große Jahn-Stadion.“ Viel Zeit bleibt dafür nicht mehr: Nach jetzigem Stand laufen im Herbst die Vorbereitungen für den Abriss an.
– Text: Christian Hönicke
+++ Diesen Text haben wir dem neuen Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Pankow entnommen. Den gibt es in voller Länge und kostenlos hier: leute.tagesspiegel.de
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