Namen & Neues

Kampf der Stadträte: Der Streit um die Käthe-Kruse-Grundschule eskaliert

Veröffentlicht am 20.06.2019 von Boris Buchholz

Das Jugendamt hat eingelenkt – zum Teil zumindest. In der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am Mittwochnachmittag erklärte Jugendstadträtin Carolina Böhm (SPD), dass der Hort der Käthe-Kruse-Grundschule die dritte Etage des Jugendhauses Albrecht Dürer bis zum Jahresende weiter nutzen könne. Der Wermutstropfen: Nach den Ausführungen der Stadträtin sei dort nur Raum für fünfzig der fast 200 Hortkinder.

In der BVV gab das Bezirksamt eine schlechte Figur ab; gleich drei Stadträtinnen und Stadträte meldeten sich zu Wort, um eine Einwohneranfrage von Elternvertreterin Ursula Csejtei zu beantworten. Die Mutter wollte schlicht wissen, wo die Kinder der Schule nach den Sommerferien betreut werden würden (hier der Sachverhalt zum Nachlesen). Erst erklärte die Jugendstadträtin, dass nach Einschätzung ihres Amtes im Jugendhaus in der Memlingstraße keine Jugendarbeit mehr stattfinden könnte, wenn dort 200 Kinder der Käthe-Kruse-Schule betreut werden würden und der Hort das ganze Haus belegen müsste. Darunter würden die außerschulischen Angebote für andere Schulen wie der Anna-Essinger-Gemeinschaftsschule und des Goethe-Gymnasiums ebenso leiden wie die offene Jugendarbeit, die dort jeden Tag ab 12 Uhr angeboten werde. „Die Jugendfreizeiteinrichtung ist die einzige in der Region“, erinnerte Carolina Böhm Eltern, Amtskollegen und Politiker. Sie sagte es deutlich: „Eine Entscheidung, mehr Kinder aufzunehmen, stelle quasi eine Schließung des öffentlichen Angebots dar.“ Einem solchen Schritt müsste zudem der Jugendhilfeausschuss zustimmen.

Dann trat Schulstadtrat Frank Mückisch (CDU) ans Mikrofon: „Frau Böhm hat es wirklich spannend gemacht“, beschwerte er sich; er habe vor ihrer Rede keine Ahnung davon gehabt, wie sich das Jugendamt entschieden habe. „Insofern arbeiten hier zwei Ämter nicht miteinander“, schimpfte er. Er begrüße dennoch, dass das Jugendhaus von der Schule weiter genutzt werden könne, „ich finde es sehr positiv“. Seine Mitarbeiter hätten nach Alternativen gesucht – und keine gefunden. „Für uns ist das Jugendhaus die beste Option“, erklärte er.

Elternvertreterin Ursula Csejtei hakte nach, wo denn nun die anderen 150 Kinder den Hort besuchen sollen: „Heute ist der letzte Schultag, was passiert am ersten Schultag?“ „Ich bin davon ausgegangen, dass das in der Jugendfreizeiteinrichtung geschehen werde“, erwiderte Frank Mückisch kurz. Worauf die Jugendstadträtin wiederum erklärte, dass das Haus für die Hortbetreuung auch baulich nicht geeignet sei: Niedrige Fenster und gefährliche Kellertreppen führte sie an. Zudem sei die Aufsichtspflicht schwer zu gewährleisten: Welches Kind gehöre zum Hort, welches Kind nimmt einfach nur die Angebote der Jugendarbeiter wahr?

Das Fanal der Diskussion war der kurze Redebeitrag von Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU): Sie setze sich dafür ein, dass der Hort temporär in das Jugendhaus ziehen könne, sagte sie grimmig mit Blick zur Jugendstadträtin. „Wir werden die Bauaufsicht befragen und das ganze Haus überprüfen lassen.“ Der FDP-Fraktionsvorsitzende Kay Ehrhardt zeigte sich vom öffentlich ausgetragenen Kampf der Stadträte „entsetzt“; auch Norbert Buchta, der Chef der SPD-Fraktion, monierte die „Dissonanz“. Sehr viel klüger war Elternvertreterin Ursula Csejtei nach der „Beantwortung“ ihrer Einwohneranfrage nicht: Sie wisse immer noch nicht, „wo mein Kind nach den Ferien betreut wird“. Sie vermisse, dass jemand konstruktiv die Verantwortung für das Hort-Problem der Schule übernehme.

Das Zwischenfazit: Dass sich das Kollegialorgan Bezirksamt öffentlich in die Haare bekommt, hat Seltenheitswert. Gut ist es nicht. Die Schuldzuweisung des Schulstadtrats an die Jugendstädträtin offenbart die Hilflosigkeit seines Amtes; tatsächlich war seine Abteilung schon seit Anfang der Woche von der Zusage des Jugendamts informiert, im Jugendhaus Räume für fünfzig Hortkinder zur Verfügung zu stellen. Erst im letzten Herbst die Horträume abrupt zu schließen und dann in neun Monaten keinen Plan B zu entwickeln bis die Ersatzcontainer endlich aufgestellt werden – diesen Vorwurf muss sich Frank Mückisch gefallen lassen. Auf der anderen Seite sollte die Jugendstadträtin die Zahl der aufzunehmenden Kinder noch einmal überdenken: Denn in den Klassenstufen drei und vier werden insgesamt 75 Hortkinder erwartet. Es wäre gut, wenn wenigstens diese Gruppe gemeinsam betreut werden könnte. Und die Ansage der Bezirksbürgermeisterin, die Bauaufsicht zum Vor-Ort-Termin einzuladen, könnte wenig sinnstiftend sein: Wer weiß, was die Bau-Experten im alten Gebäudebestand so alles finden. Fakt ist: Die Sommerferien-Uhr tickt – und das Bezirksamt muss eine Lösung finden. Gemeinsam. – Boris Buchholz

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