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Planungsstufe Rot in Lankwitz: Erster Entwurf des Schulentwicklungsplans stellt immensen Bedarf an zusätzlichen Grundschulplätzen fest

Veröffentlicht am 17.12.2020 von Boris Buchholz

Die Zahlen in der Spalte „Überschuss / Defizit“ sind rot: In den Schulplanungsregionen Lankwitz und Lankwitz-Ost fehlen schon heute ingesamt etwa 350 Plätze in den Grundschulen. Bis zum Schuljahr 2024/25 wird sich daran nur wenig ändern – das Schulamt Steglitz-Zehlendorf prognostiziert immer noch ein Platzdefizit von -5,84 beziehungsweise -2,73 Prozent. Am 7. Dezember hat das Schulamt erstmals einem bezirklichen Gremium Einblick in den neuen Schulentwicklungsplan gegeben – im Bezirksschulbeirat wurde ein Teilentwurf vorgestellt.

Auch in einer anderen Region droht Ungemach: Der Senat geht in seinen Plänen davon aus, dass alle fünf Grundschulzüge der John-F.-Kennedy-Schule (JFK) den Kindern aus dem Südwesten zur Verfügung stünden. Fakt ist aber: Nur in einer Klasse werden Schülerinnen und Schüler aus dem Bezirk aufgenommen, die Plätze in den anderen vier Klassen der begehrten und bi-lingualen Schule werden berlinweit vergeben. Betrachtet man die JFK als reine Südwest-Schule (das macht der Senat), leuchtet die Planungsregion Zehlendorf-Süd mit einem Plus von 15,84 Prozent grün. Ganz anders die Rechnung des Schulamts: Mit nur einem angerechneten Klassen-Zug ergibt sich für die Versorgung der Kinder aus der Nachbarschaft eine satte Unterversorgung von -19,59 Prozent – Planungsstufe Rot.

Noch befinde sich der Schulentwicklungsplans im Entwurfsstadium, erklärt Bildungsstadtrat Frank Mückisch (CDU) auf Anfrage des Tagesspiegels. Es sei ein Zehn-Jahres-Werk: Der Schulentwicklungsplan solle „für das Jahrzehnt zwischen 2020 und 2030 gelten“. Zwar gehe die Verwaltung im Zeitraum zwischen 2018 und 2030 von einem Bevölkerungswachstum im Südwesten von moderaten 0,7 Prozent aus; doch der Anteil der bis unter 18-Jährigen werde sich im kommenden Jahrzehnt „deutlich entwickeln“. Das Zwischenfazit des Stadtrats: „Die Situation in Wannsee ist zum Beispiel eher komfortabel, während sie in Lankwitz eher herausfordernd ist.“

Im Januar soll der Plan der Bezirksverordnetenversammlung vorgestellt werden. Der letzte Schulentwicklungsplan stammt aus dem Jahr 2014 – und lief 2018 aus. Warum die neue Übersicht über die Entwicklung an den Schulen erst drei Jahre später fertig sein wird, erklärt der Stadtrat mit „umfangreichen Vorarbeiten“: „So war es notwendig, die Raumdateien von 2006 zu überarbeiten, da in der Zwischenzeit die Horte an die Schulen gekommen sind, die Schulen Verwaltungsleitungen erhalten haben, die Sozialarbeit personell deutlich erhöht wurde, Baumaßnahmen durchgeführt und Bauteile abgerissen wurden.“ Um zu wissen, wieviele Schülerinnen und Schüler in einer Schule Platz finden, müssten erst einmal die Räume gezählt und deren Nutzung festgestellt werden. Im November 2019 habe die Zählung stattgefunden, bis Mitte 2020 sei ausgewertet worden.

„Hier muss mit mehr Nachdruck entschieden werden“, sagt Mathia Specht-Habbel, die Fraktionsvorsitzende der FDP, und kritisiert, dass der Schulentwicklungsplan immer noch nicht über den Entwurfsstatus hinausgekommen sei. Ihre Fraktion fordere seit Jahren eine neue Planung. Es war in den letzten Jahren jedoch vor allem die SPD, die sich im Lokalparlament für ein verbindliches Planwerk stark machte. Im September 2017 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung einen SPD-Antrag, in dem ein Schulentwicklungsplan ab 2019 gefordert wurde – nichts geschah. Ein weiterer SPD-Antrag wurde 2019 von CDU und Grüne erst geändert und dann im Mai beschlossen: „Das Bezirksamt versucht, wie durch Amtshandeln weitgehend abgeschlossen, auf alle Fälle bis zum Oktober 2019 den neuen Schulentwicklungsplan vorzulegen.“

Ohne Plan keine Planungssicherheit für die Schulen. Der Schulentwicklungsplan sei „überfällig“, erklärt Eva Reitz-Reule, sie ist Schul-Expertin der SPD-Fraktion. „Bis heute wurde von Seiten des Amtes weder das Interesse noch die Notwendigkeit gesehen, einen neuen Schulentwicklungsplan zu erstellen“, wirft sie dem Amt vor. Tatsächlich hatte Bildungsstadtrat Mückisch noch im Januar 2020 in der Bezirksverordnetenversammlung erklärt, eine Prognose für fünf Jahre sei unmöglich zu erstellen, ein Schulentwicklungsplan sei „nicht mehr zeitgemäß“ (mein Protokoll der Debatte finden Sie hier). Eva Reitz-Reule nennt den Fakt, dass es das Papier bis heute nicht gebe, „skandalös“.

Ähnlich sieht das auf Nachfrage der Linken-Politiker Hans-Walter Krause: „Es ist uns ein Rätsel, weswegen es immer wieder Verzögerungen und Vertröstungen gab.“ Zwar gebe es keinen Plan, aber der Wunsch der Linken nach einer zweiten Gemeinschaftsschule im Bezirk werde immer wieder abgelehnt – „mit welcher Berechtigung, wenn es noch nicht einmal eine entsprechende Datenlage gibt?“ Nicht nur die Raumfragen müssten in einem Planwerk – handhabbar sei nur ein Zeitraum von fünf Jahren – geklärt werden: „Ein guter Plan würde auch darlegen, wo es verstärkter Angebote an Schulsozialarbeit oder auch schulpsychologischer Dienste braucht, um allen Kindern gute Voraussetzungen zu bieten im Sinne von mehr Chancengleichheit auch in der Bildung!“

Während FDP, SPD und Linke Kritik üben, stärkt der CDU-Verordnete Clemens Escher seinem Stadtrat den Rücken. „Besser spät als nie“, erklärt er dem Tagesspiegel, „ich bin mit dem Auftakt zum Aufstellungsprozess für den nächsten Schulentwicklungsplan zufrieden“. Er sei zuversichtlich, dass der „ambitionierte“ Plan die „Qualität unserer Schulen weiter verbessern“ könne. Für die Investitionsplanung sei der Blick in die Zukunft der Schulen ebenso wichtig wie für „Sozialpolitik, Standortsicherung und Jugendpolitik“.

Der Bezirk ist in der Verantwortung. Zwar habe Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) das kostenlose Mittagessen für Alle und den Ganztagsbetrieb eingeführt, ohne ausreichende Vorausetzungen zu schaffen, erinnert die FDP-Fraktionsvorsitzende Mathia Specht-Habbel. Für die Raumnutzung aber zeichne der Bezirk verantwortlich: „Der Schulentwicklungsplan bildet hier die Grundlage zu Erkenntnissen und Verbesserungen“, heißt es in der Stellungnahme der Liberalen. Hätte eine frühzeitigere Planung vorgelegen, hätte die aktuelle Misere am Werner-von-Siemens-Gymnasium verhindert werden können, so die Fraktionschefin. An der Schule in Zehlendorf fehlt exakt ein Klassenraum, um im kommenden Sommer eine fünfte 7. Klasse eröffnen zu können (hier der Bericht).