Nachbarschaft

Veröffentlicht am 30.07.2019 von Sigrid Kneist

Lars Rauchfuß, Marijke Höppner, Jan Rauchfuß, (von links) alle drei für die SPD in der BVV

Treffpunkt Spielplatz. Wenn man sich mit den drei Sozialdemokraten Marijke Höppner, Jan Rauchfuß und Lars Rauchfuß zum Interview verabredet, ist das naheliegend. Hier macht eine Familie Politik. Jan und Lars Rauchfuß sind Zwillinge, und Jan Rauchfuß ist der Lebensgefährte von Marijke Höppner. Und ihre kleine Tochter Lilli, fast drei Jahre alt, kann dort nach einem Kita-Tag noch ein bisschen mit ihrer besten Freundin spielen. Der Spielplatz am Gasometer im Cheruskerpark ist gut zu erreichen, da sie in Schöneberg wohnen. 

Rauchfuß, Rauchfuß und Höppner sind Mitglieder in der Bezirksverordnetenversammlung von Tempelhof-Schöneberg. Seit einigen Monaten sitzt Marijke Höppner in den Bänken der Sozialdemokraten auf dem Platz in der ersten Reihe, der der Fraktionschefin zusteht. Zuvor hatte ihr Lebensgefährte Jan Rauchfuß fünf Jahre den Posten inne. Er sitzt nun einige Reihen dahinter, wie auch sein Bruder Lars. Dieser steht wiederum an der Spitze des Kreisverbandes, den er im Frühjahr des vergangenen Jahres von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (vormals Kolat) übernahm. In deren Bürgerbüro arbeitet Marijke Höppner, Lars Rauchfuß wiederum ist Referent in der Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters, der ebenfalls politisch und privat in Tempelhof-Schöneberg beheimatet ist. Man könnte auch sagen, alle hängen mit allen zusammen. Zumindest Jan Rauchfuß ist da beruflich etwas entfernter: Er arbeitet in einem Unternehmen im Bereich Berufsorientierung und -förderung; allerdings gibt’s auch hier die Nähe zur Arbeitsmarktpolitik.

Gibt es nicht partei- oder fraktionsintern Verdruss, wenn drei enge Mitglieder einer Familie die wichtigsten Posten der SPD im Bezirk innehaben beziehungsweise hatten und etwa der Fraktionsvorsitz vom einen auf die andere übergeht? “Nein”, schütteln Höppner/Rauchfuß/Rauchfuß den Kopf. “Dazu war Marijkes Wahlergebnis in der Fraktion zu eindeutig”, sagt Jan Rauchfuß. Sie habe elf der 15 Stimmen erhalten.

Als sein Bruder Lars im April vergangenen Jahres zum Kreisvorsitzenden gewählte wird, postet er auf Facebook„Super gemacht, großer, kleiner Bruder!“ Das gibt gleich zwei Hinweise zu den beiden großgewachsenen 33-Jährigen, die einander sehr ähnlich sehen und die man anfangs am ehesten dadurch unterscheiden kann, dass Jan Rauchfuß eine Brille trägt. Lars soll ein wenig größer sein, während Jan eine Minute älter ist als sein Zwillingsbruder. Beide – in einem Lehrerhaushalt in Mariendorf aufgewachsen –  kommen 2005 zur SPD. Ein Hauptmotiv ist das Engagement gegen Rechtsextremismus.

Die knapp fünf Jahre ältere Marijke Höppner ist zu diesem Zeitpunkt schon länger bei den Sozialdemokraten; sie wurde mit 18 Jahren Mitglied. Sozialdemokratisches Engagement ist in ihrer Familie nicht unbekannt: der Vater war aktiv in einer Abteilung (Ortsverband) in Wilmersdorf, die Stiefmutter stellvertretende Präsidentin des Abgeordnetenhauses. Auch Marijke Höppner engagiert sich stark gegen Rechtsextremismus. “Feminismus ist ebenfalls ein wichtiges Thema für mich gewesen”, sagt sie. Über die Aktivitäten in der SPD lernen sie sich kennen, arbeiten gemeinsam in Bündnissen gegen rechts – und treten nacheinander den Weg in die Bezirkspolitik an.

Als erste kommt Marijke Höppner in die BVV, danach Jan Rauchfuß und mit den Wahlen 2016 auch sein Bruder Lars. Durch die Übernahme des Kreisvorsitzes ist dieser jetzt auch mehr landespolitisch unterwegs. “Ich versuche dabei aber auch, den Spagat zum Bezirk zu leisten”, sagt er. Als Kreisvorsitzender kann er andere, stadtweite Diskussionen anregen. Wie jene zur Randbebauung des Tempelhofer Felds, die er gemeinsam mit Genossen aus Friedrichshain-Kreuzberg und Marzahn-Hellersdorf angestoßen hat. Dass eine vom Tagesspiegel in Auftrag gegebene Civey-Umfrage dafür jetzt eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Berliner Bevölkerung erkennt, sieht Rauchfuß als eine Bestätigung für den Vorstoß, den die Tempelhof-Schöneberger Sozialdemokraten ohnehin seit geraumer Zeit forcieren. Die Diskussion werde an Fahrt aufnehmen, davon ist er überzeugt: “Da gibt es kein zurück mehr.”

Bruder Jan sieht es als ein gelungenes Beispiel dafür an, wie Politik funktionieren sollte. “Hier hat Politik es geschafft, gute Argumente zu bringen und so die Bürger zu überzeugen und einen Stimmungsumschwung zu schaffen.” Und auch Marijke Höppner sagt, sie ärgere sich oft darüber, dass andere keine Position beziehen und “ihr Fähnchen in den Wind hängen”, also sich an den Stimmungen in der Bevölkerung orientieren. Gerade in der Tempelhof-Frage hätten sich die anderen Parteien dahinter versteckt, erst einmal das Volk befragen zu wollen, und keinen klaren Standpunkt zu beziehen. “Man muss aber eine Haltung haben”, sagt Höppner.

Drängt es eine/einen der drei bei den in zwei Jahren anstehenden Berliner Wahlen in die Landespolitik? Da werden sie sehr zurückhaltend. “Politik ist unberechenbar, es wird so, wie es sich ergibt”, sagt Marijke Höppner. Jan und Lars Rauchfuß widersprechen nicht. 

Foto: Thilo Rückeis

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Dieser Artikel ist Teil einer Serie über die politischen Familienbande in Tempelhof-Schöneberg.

  • Folge 1 erschien am 2. JuliAngelika Schöttler ist in fünfter Generation Sozialdemokratin.
  • Folge 2 (9. Juli): Grün-schwarze Familienbande: Martina Zander-Rade und Christian Zander sitzen für verschiedene Fraktionen in der BVV.
  • Folge 3 (16. Juli): Wie die Mutter, so die Töchter: Ingrid Kühnemann, Andrea Kühnemann und Melanie Kühnemann-Grunow sind aktiv in der SPD.
  • Folge 4 (23. Juli): Schwarz-grün: Catherina Pieroth ist für die Grünen im Abgeordnetenhaus, ihr Vater Elmar war CDU-Wirtschaftssenator.

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