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von Cay Dobberke

Veröffentlicht am 21.02.2020

als erster Berliner Bezirk schließt sich Charlottenburg-Wilmersdorf der Forderung nach einer „Rekommunalisierung der Schulreinigung“ an. Am Donnerstagabend stimmte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einem Einwohnerantrag zu, für den die Bürgerinitiative Schule in Not mehr als 2500 Unterschriften gesammelt hatte. Ab dem Schuljahr 2021/2022 sollen keine Fremdfirmen mehr mit der Reinigung der Schulgebäude beauftragt werden. Vor allem die „schlechten Arbeitsbedingungen“ für das Personal hätten dazu geführt, dass viele Räume verdrecken, kritisierten Vertreterinnen der Initiative.

Die Fraktionen der FDP und die CDU enthielten sich bezüglich der Rekommunalisierung der Stimme. Die FDP-Bildungspolitikerin Stephanie Fest begründete dies mit der ungeklärten Finanzierung. Nach Schätzungen des Bezirksamts müssen bis zu 200 Stellen geschaffen werden, um die Schulen von bezirkseigenem Personal säubern zu lassen. Auch Grünen-Fraktionschef Christoph Wapler räumte ein, dass der Bezirk dies „alleine nicht stemmen kann“ und zusätzliche Mittel vom Berliner Senat benötige. Einstimmig beschlossen wurde ein Teil der Einwohnerantrags, in dem die Bürgerinitiative fordert, die „Schulreinigung um eine nasse Tagesreinigung zu ergänzen“. Außerdem befürworteten alle Fraktionen einem zusätzlichen CDU-Antrag. Demnach soll das Bezirksamt prüfen, „ob und zu welchen Bedingungen die jetzige Schulreinigung um eine Reinigung während des Schulvormittags erweitert werden kann“.

Privates Feuerwerk soll an bestimmten Orten in Charlottenburg-Wilmersdorf untersagt werden. Den entsprechenden Grünen-Antrag nahm die BVV einstimmig an. Das Bezirksamt wird aufgefordert, „Gebiete zu lokalisieren, an denen das Abbrennen von Pyrotechnik in erheblichem Ausmaß zur Gefährdung der Bevölkerung geführt hat“. Als Vorbild gelten die Feuerwerks-Verbotszonen, die in der jüngsten Silvesternacht erstmals in Schöneberg und Mitte angeordnet worden waren. Als Ersatz für die Böllerei von Privatleuten schlagen die Grünen vor, dass der Bezirk selbst an geeigneter Stelle ein Feuerwerk veranstaltet. Die originellste Idee der Fraktion steht dagegen nicht im Antrag, sondern bisher nur bei Twitter: Denkbar seien auch „Drohnenfeuerwerke“ wie in Singapur und Shanghai, bei denen Drohnenschwärme mit LED-Leuchten ein Lichterspektakel am Himmel kreieren.

Auf dem Breitscheidplatz stehen noch immer die umstrittenen großen Lkw-Sperren, Poller und Stahlgitterkörbe mit Sandsäcken, die im vorigen Jahr als „temporärer“ Schutz vor Terroranschlägen wie im Dezember 2016 aufgestellt worden waren. Vor ein paar Monaten hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) für 2020 eine ansehnlichere Lösung versprochen, zu der ein Betonsockel mit einem zwei Meter hohen „Berlin“-Schriftzug gehören solle. Bezirks-Ordnungsstadtrat Arne Herz (CDU) kündigte im November an, das Bezirksamt werde die provisorischen Schutzmaßnahmen nur noch bis Ende des Weihnachtsmarkts dulden. Auf Druck der Innenverwaltung bleibt nun aber doch erst einmal alles beim Alten. Das antwortete Bildungs- und Kulturstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) auf eine Anfrage der FDP-Fraktion. Sie vertrat Stadtrat Herz und Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD), die beide wegen einer Dienstreise abwesend waren. Die Innenbehörde habe „um eine Verlängerung der Ausnahmegenehmigung gebeten“, woraufhin das Bezirksamt diese „erneut erteilen musste“. Mit der Umsetzung eines dauerhaften Sicherheitskonzepts sei in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen. Die Senatsfinanzverwaltung habe die Gelder dafür bisher nicht freigegeben. Außerdem habe der Bezirk keinen Kontakt mehr mit der für den Umbau zuständigen Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM). FDP-Fraktionschef Felix Recke kritisierte die Verzögerungen als „nicht mehr hinnehmbar“ und einen „Wortbruch“. Anwohner, Gewerbetreibende und Touristen „leiden unter dem jetzigen unansehnlichen und verängstigenden Zustand“. Der Senat und das Bezirksamt müssten die nächsten Monate nutzen, um endlich „auf die bisherige Kritik am Sicherheitskonzept einzugehen und Stadtmöbel einzusetzen, die sowohl optisch als auch sicherheitspolitisch einen wirklichen Mehrwert bringen“.

Elf Bäume lässt das Bezirksamt für den zweiten Bauabschnitt bei der Neugestaltung des Olivaer Platzes fällen. Aus Naturschutzgründen müsse dies noch im Februar geschehen, heißt es. Betroffen seien hauptsächlich Ahornbäume. Ursprünglich sollten 15 Bäume weichen. „Durch den Wegfall von zwei Parkplätzen“ sei es jedoch gelungen, vier zu erhalten, teilte das Straßen- und Grünflächenamt mit. Nach dem Platzumbau will es die gefällten Bäume im kommenden Jahr durch 20 Neupflanzungen ersetzen. Für den Parkplatz hatte das Bezirksamt als Kompromiss mit Kritikern vereinbart, 60 der bisher 120 Stellplätze zu erhalten. Dass deren Zahl nun auf 58 sinkt, „macht keinen wesentlichen Unterschied“, sagte Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) auf Nachfrage der FDP-Fraktion.

Proteste gegen Baumfällungen gab es zuletzt im alten Wilmersdorfer Ortskern, wo die Berliner Wasserbetriebe 13 Bäume in der Wilhelmsaue sowie in der Gasteiner und Nassauischen Straße für eine Erneuerung von Trinkwasserleitungen und Abwasserkanälen abholzen lassen wollten. Erst nach einem Informationsabend der Wasserbetriebe in der Auenkirche wurde bekannt, dass sie den Baubeginn in das nächste Jahr verschieben wollen. Daraufhin habe das Grünflächenamt die „Fällgenehmigungen zurückgezogen“, gab Bau- und Umweltstadtrat Schruoffeneger bekannt. Sollten die Wasserbetriebe ihr Vorhaben ab 2021 realisieren wollen, müssten sie erneut Anträge stellen, und alles werde nochmals überprüft.

Über einen ähnlichen Fall informierte uns eine Anwohnerin der Koblenzer Straße kurz vor dem Redaktionsschluss für diesen Newsletter. Mit Zetteln an Haustüren kündigen die Wasserbetriebe dort an, für eine Sanierung von Trinkwasserleitungen ab dem 24. Februar vier Bäume zu fällen, die sich „direkt über den Hausanschlüssen und an undichten Stellen befinden“. Neun weitere Bäume würden auf ihre Standsicherheit hin geprüft und, falls nötig, ebenfalls entfernt. Eine Genehmigung des Grünflächenamts liege vor.

Auch die Verkehrssicherheit für Fußgänger und Radfahrer war erneut ein Thema in der BVV. SPD, Grüne und Linke verlangen eine „Erhöhung der Lebensqualität“ im Kiez rund um den Karl-August-Platz, wo eine Passantin im vorigen Jahr von einem Auto überrollt und tödlich verletzt worden war. Daraufhin gründeten Anwohner eine Initiative, deren Forderungen nun in den Beschluss der rot-rot-grünen Mehrheit einflossen. Das Bezirksamt soll die „Umwidmung des gesamten Kiezes“ zwischen der Kaiser-Friedrich-, Bismarck-, Leibniz- und Kantstraße in eine verkehrsberuhigte Zone prüfen. Damit wäre nur noch Tempo 10 erlaubt. In der Krummen Straße könnten Betonpflanzkübel oder Diagonalsperren installiert werden, um den Durchgangsverkehr  zu unterbinden, heißt es. Bisher nutzen viele Autofahrer die Krumme Straße als Abkürzung zwischen der Kant- und der Bismarckstraße. Die Fraktionen der CDU, FDP und AfD lehnten diese Vorschläge ab, unterstützten aber andere Teile des Beschlusses, in denen es unter anderem um Ladezonen für Lieferfahrzeuge, ein Parkleitsystem zu nahen Parkhäusern und die Beteiligung der Anwohner an einem neuen Verkehrskonzept geht.

„Menschenfreundlicher“ soll außerdem die Wilhelmsaue gestaltet werden. Auch hier haben die Grünen die Wünsche einer Bürgerinitiative aufgegriffen. Beispielsweise wird eine „Verbreiterung und Begrünung des Mittelstreifens“ gefordert, der einige Parkplätze weichen müssten. Die Uhlandstraße soll durchgängig nur noch einen Fahrstreifen pro Richtung haben. Am östlichen Ende der Wilhelmsaue an der Mehlitzstraße könnte eine „platzartige Verlängerung“ entstehen. Der Vorstoß wurde mit der Mehrheit der Grünen, SPD und Linken angenommen. Darüber hinaus stellte die Grünen-Fraktion zusätzliche neue Anträge zur Verkehrssicherheit im Bezirk, mit denen sich nun erst einmal die zuständigen BVV-Ausschüsse beschäftigen werden.

Im Glockenturm der Gedächtniskirche musste nach mehr als 40 Jahren der „Weltladen“ schließen, der Berlins ältestes Fair-Trade-Geschäft war. Wie berichtet, begründet die Kirchengemeinde dies mit geplanten Sanierungsarbeiten. In der BVV fragte Claudia Buß (SPD) das Bezirksamt, ob es „an einer Kompromisslösung mitwirken will“, zumal Charlottenburg-Wilmersdorf stolz darauf ist, seit einigen Jahren die Auszeichnung als „Fair Trade Town“ zu tragen. Baustadtrat Schruoffeneger antwortete, das Bezirksamt habe bereits „ein Gespräch mit allen Beteiligten angeboten“. Dieses Treffen müsse innerhalb der nächsten zwei Wochen stattfinden, sonst sei es zu spät. Dass der Weltladen seine Räume am 17. Februar verlassen musste, sei „sehr ärgerlich“.

Denkmalschutz soll Häuser im sogenannten Landhausquartier in Wilmersdorf vor Veränderungen bewahren. Der aktuelle Anlass sind Pläne einer Eigentümerfirma, die Häuser an der Berliner Straße 65/66 mit Balkonen zu versehen. Wegen damit verbundener Mieterhöhungen protestieren Mieter dagegen (allerdings erreichte uns auch eine Zuschrift, in der sich eine Bewohnerin für Balkone ausspricht). Nun hat die BVV das Bezirksamt einstimmig aufgefordert, sich beim Landesdenkmal dafür einzusetzen, dass die betroffenen Gebäude sowie Wohnhäuser an der Barstraße 11/12 und der Brienner Straße 9/10 inklusive der dazugehörigen Gärten unter sogenannten Ensembleschutz gestellt werden. Der Beschluss beruht auf einer Empfehlung des Denkmalbeirats, dem acht Architekturexperten unter der Leitung der SPD-Bezirksverordneten Christiane Timper angehören. Der Beirat stellte klar: „Ein Anbau von Balkonen ist unserer Ansicht nach nicht zu genehmigen!“. Statt die „bauzeitliche, in sich stimmige Fassadengestaltung durch die projektierten Balkonanbauten aus dem gestalterischen Gleichgewicht zu bringen, die ortstypische Außenansicht zu zerstören und damit das Ortsbild regelrecht zu verschandeln“, sei eine Erhaltung „durch eine denkmalgerechte Instandsetzung dringend erforderlich“.

Mehr kulturelle und soziale Nutzungen plant der Bezirk auf 12.000 Quadratmetern am Halemweg in Charlottenburg-Nord. Es geht beispielsweise um die dortige Bibliothek und das Stadtteilzentrum sowie um Angebote der Musikschule City West. In einem Architektenwettbewerb habe die Jury nun aber festgestellt, dass es bisher „weder ein Konzept noch eine Finanzierung“ gebe, kritisierte die Grünen-Fraktion, die eine Große Anfrage zum Thema gestellt hatte. Bildungs- und Kulturstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) erwiderte, das Bezirksamt wolle sich am kommenden Dienstag auf ein Konzept einigen. Dagmar Kempf (Grüne) kündigte als Vorsitzende des BVV-Ausschusses für Weiterbildung und Kultur an, dieser werde sich in seiner nächsten Sitzung damit beschäftigen.

Landeseigene Brachflächen sollten „den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften oder Baugenossenschaften zum Bau bezahlbaren Wohnraums zur Verfügung gestellt werden“ – mit Ausnahme von Grundstücken, die künftig noch „für die kommunale Infrastruktur benötigt werden“. Für diesen CDU-Antrag, dem die FDP bereits vor der Abstimmung beigetreten war, votierten auch alle anderen Fraktionen. Das Bezirksamt wird aufgefordert, sich beim Berliner Senat für die Umsetzung einzusetzen.

Einen bezirklichen „Sehbehindertentag“ hatte die AfD-Fraktion gefordert, doch die BVV-Mehrheit lehnte den Antrag ab. Nach dem Willen der AfD sollte es „jährlich am 6. Juni im Rahmen des nationalen Aktionstags für Sehbehinderte“ Veranstaltungen geben, um  auf die „Bedürfnisse und Probleme der Betroffenen“ aufmerksam zu machen. Der Antrag scheitere wohl nur daran, „dass er von uns kommt“, vermutete AfD-Fraktionschef Michael Seyfert. CDU-Vizefraktionschef Karsten Sell nannte aber auch Gegenargumente. Bei einem Jahresempfang des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin (ABSV) hätten sich dessen Vertreter einige Verbesserungen im Bezirk gewünscht, nicht aber einen Sehbehindertentag. Die Bitten des Vereins setze die CDU-Fraktion unter anderem mit ihrer Forderung um, E-Scooter „hörbar zu machen“, damit „sehbehinderte Menschen die Gefahr erkennen können“. Dieser Antrag wurde zur Beratung in die Ausschüsse überwiesen. Beim Jahresempfang des ABSV sei die AfD „gar nicht anwesend“ gewesen, fügte Sell im Gespräch mit dem Tagesspiegel hinzu.

BVV-Vorsteherin Annegret Hansen (SPD) ermahnt künftig auch die Stadträte oder SPD-Bürgermeister Reinhard Naumann, wenn sie zu lange reden. Entsprechend der Redezeiten der Fraktionen sollen fünf bis sechs Minuten reichen. Nach dem Bezirksverwaltungsgesetz können die fünf Bezirksamtsmitglieder jederzeit und ohne Zeitbeschränkung sprechen. Aber in den vorigen Monaten zeigten sich die Bezirksverordneten zunehmend genervt über ausschweifende Antworten und Stellungnahmen. Deshalb beschlossen sie nun eine Änderung der BVV-Geschäftsordnung, die zwar rechtlich nicht bindend ist für die Stadträte, aber zumindest ein Zeichen setzt.

Cay Dobberke, geboren in Berlin, wohnt seit mehr als 25 Jahren in Wilmersdorf. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an cay.dobberke@tagesspiegel.de